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Wasserkonzession – Ausschreibungspflicht oder Inhouse-Vergabe möglich?

Der Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen wurde in der Vergangenheit überwiegend ohne Durchführung eines diskriminierungsfreien und transparenten Vergabeverfahrens umgesetzt. Grundlage für diese Vorgehen war die Bereichsausnahme des § 149 Nr. 9 GWB, wonach das Kartellvergaberecht keine Anwendung auf die Vergabe von Wasserkonzessionen findet. Auch bestehen keine anderweitigen gesetzlichen Regelungen, welche die Vergabe regeln – anders als z.B. für Strom- und Gaskonzession durch §§ 46ff EnWG der Fall.

Ausschreibungspflicht bei Binnenmarktrelevanz

Nachdem das OLG Düsseldorf in zwei Entscheidungen im Jahr 2018 (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart]; Urt. v. 13. Juni 2018 (Az. VI-2 U 7/16) in der Begründung zur Entscheidung feststellte, dass Wasserkonzessionen im Falle der Binnenmarktrelevanz nach den Grundsätzen des Vergaberechts zu vergeben sind, hat sich der Umgang mit dem Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen vielerorts geändert.

Das Gericht hatte damals festgestellt, dass auch bei der Vergabe von Wasserkonzessionen in verfahrensrechtlicher Hinsicht wie bei der Vergabe von Strom- oder Gaskonzessionen, die aus dem Diskriminierungsverbot und dem Transparenzgrundsatz folgenden Anforderungen gelten (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart], Rn. 100 – zitiert nach NRW-Rechtsprechungsdatenbank). Abweichend von der Situation bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen soll allerdings eine Inhouse-Vergabe grundsätzlich zulässig sein. Und genau über die Voraussetzungen einer zulässigen Inhouse-Vergabe einer Wasserkonzession hatte das OLG Naumburg (Urt. v. 3.6.2022 – 7 U 6/22) zu entscheiden.

Anforderungen an eine zulässige Inhouse-Vergabe bei Wasserkonzessionen

Dort hatte eine Kommune die Wasserkonzession im Wege der Inhouse-Vergabe an eine kommunale Bäder- und Servicegesellschaft vergeben. Diese Gesellschaft erbringt Dienstleistungen im Bereich der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung sowie Aufgaben der Daseinsvorsorge. Zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge zählen neben der Trinkwasserversorgung auch der Bäderbetrieb, welcher in die Bereiche Schulschwimmen, Vereinsschwimmen, Freizeitbad und Sauna sowie sonstige Umsätze aufgeteilt ist.

Die Inhouse-Vergabe basierte auf der Annahme der Kommune, dass die von ihr beherrschte Bäder- und Servicegesellschaft zu mehr als 80% für die Kommune tätig sei (Erfüllung des Wesentlichkeitskriteriums). Dies griff die Klägerin an. Sie war bis zu diesem Zeitpunkt für ein Teilgebiet der Kommune Konzessionsinhaberin der Wasserkonzession und strebte eine Fortsetzung des Vertrages an.

Die Ansicht der Kommune, dass es sich um eine zulässige Inhouse-Vergabe handle, teil das Gericht nicht. Zunächst hält es fest, dass die Norm des § 108 GWB, welche die Voraussetzungen für Inhouse-Vergaben im Kartellvergaberecht regelt, nicht direkt noch im übertragenen Sinne (analog) angewendet werden könne. Es gelte vielmehr sich auf die durch die Rechtsprechung als allgemeinen Grundsätzen abgeleiteten allgemeinen Grundsätze zu beziehen. Um dies zu verstehen, bedarf es historischer Kenntnisse zur Entwicklung des Instrumentes der Inhouse-Vergabe. Bevor im Jahr 2016 § 108 GWB in das Gesetz aufgenommen wurde, war auf europäischer Ebene im Rahmen der Rechtsprechung das Instrument der Inhouse-Vergabe bereits anerkannt worden. Doch weichen die konkreten Voraussetzungen der heutigen Norm von der EuGH-Rechtsprechung ab. Der EuGH habe bezogen auf den zulässigen Rahmen wettbewerblicher Tätigkeiten z.B. in der Entscheidung „Asemfo ./. TrAgSA“ (EuGH, Urt. v. 19.4.2007 – C-295/05) Umschreibungen wie „rein nebensächlich“, „nur am Rande“ oder „marginal“ verwendet.

Es sei daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses dieser Maßstab einhalten worden sei. Das Gericht errechnete dann auf Basis der Umsatzzahlen für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Bäder- und Servicegesellschaft den Anteil der wettbewerblichen Tätigkeit. Dabei seien als (unschädliche) Eigengeschäfte diejenigen Tätigkeiten des Konzessionärs anzusehen, welche vom kontrollierenden Auftraggeber (hier: der Kommune) herrühren. Es komme dabei nicht darauf an, wer Nutznießer der jeweiligen Leistung ist und wird die Entgelte zahlt (vgl. a. EuGH Urt. v. 11.5.2006 – C-340/04 „Carbotermo SpA u.a. ./. Comune die Busto Arzizio u.a.“). Es komme auf den Kausalzusammenhang an, der dann nicht vorliege, wenn die Nutzung der Leistung des Unternehmens auf einer autonomen Entscheidung des Nutzers beruhe (vgl. a. OLG Frankfurt Beschl. v. 30.8.2011, 11 Verg 3/11).

Auf dieser Basis differenziert das OLG Naumburg zwischen den unterschiedlichen Sparten und Umsatzgruppen des Bäderbetriebs und ordnet den allgemeinen Bäderbetrieb einem liberalisierten Markt zu, welcher Angebote zur Freizeitgestaltung bereithält. Da im Umkreis eine Vielzahl von gleichartigen Angeboten bestünden, stünde der Badebetrieb in Konkurrenz mit den anderen Anbietern. In dem Zusammenhang sieht das Gericht es auch als relevant an, dass die Gesellschaft mit dem Ziel einer Reduzierung der für Bäderbetriebe üblichen Kostendeckung marktbezogen agiere und sich demnach wie ein privater Leistungsanbieter verhalte. Daher sei der allgemeine Bäderbetrieb als (inhouse-schädliches) Fremdgeschäft einzustufen. Die Umsatzermittlung ergab dann einen weit überwiegenden Umsatz aus Fremdgeschäften, wonach die Gesellschaft – abweichend von der Einschätzung der Kommune – nicht weit überwiegend für die Kommune tätig sei. Die Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe lägen nicht vor.

Rechtsrahmen für die Vergabe einer Wasserkonzession

Das OLG Naumburg stellte zum Rechtsrahmen fest, dass die Vorschriften des Vergaberechts nicht analog angewendet werden können und verweist dabei auf die Rechtsprechung des BGH zur Vergabe von Stromkonzessionen (BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 „Stromnetz Berkenthin“). Dies begründe sich aus der konkreten Bereichsausnahme für Verträge über die Bereitstellung und den Betrieb fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit mit Trinkwasser und die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze (Art. 12. RL 2014/23/EU). Und auch die spezialgesetzlichen Regelungen für Strom- und Gaskonzessionen in §§ 46ff. EnWG seien nicht analog anwendbar.

Doch finde die Vergabe von Wasserkonzessionen dennoch nicht in einem rechtsfreien Raum statt. Relevant ist für die Bestimmung des rechtlichen Rahmens, ob die zu vergebende Wasserkonzession eine Binnenmarktrelevanz aufweist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht anhand des jährlichen Auftragswertes multipliziert mit der vereinbarten Vertragslaufzeit (hier 25 Jahre) die wirtschaftliche Bedeutung errechnet und aufgrund des Wertes von 50 Mio. Euro die Binnenmarktrelevanz bejaht. Damit müsse die Vergabe abgeleitet aus dem Transparenzgebot des EU-Primärrechts mit einem angemessenen Grad an Öffentlichkeit erfolgen. Das Gericht geht davon aus, dass dieser angemessene Grad an Öffentlichkeit nur durch einen EU-weiten Aufruf zur Interessensbekundung bzw. zur Abgabe eines Teilnahmeantrages oder Angebotes hergestellt werden könne.

Weitergehende Grundlage für die Auswahlentscheidung bei der Vergabe einer Wasserkonzession ist das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot. Die Kommune ist regelmäßig marktbeherrschender Anbieter bezüglich der Vergabe der Trinkwasserkonzession. Der relevante Markt ist örtlich auf das Gebiet der jeweiligen Kommune beschränkt. Er umfasst sämtliche Wege, die sich für die Verlegung und den Betrieb von Wasserrohrleitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeinde- und Stadtgebiet eignen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart], Rn. 93 – zitiert nach NRW Rechtsprechungsdatenbank; vgl. a. BGH, Urteile vom 17.12.2013 – KZR 65/12 und KZR 66/12) Weiter gelten der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbotes und bei entsprechendem Binnenmarktbezug – die primärrechtlichen Grundsätze des AEUV, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, Transparenz sowie Verhältnismäßigkeit (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart], Rn. 101 – zitiert nach NRW-Rechtsprechungsdatenbank).

Praxisgerechte Umsetzung der transparenten Vergabe der Wasserkonzession

Zunächst ist die Pflicht zur Durchführung eines Verfahrens – Binnenmarktrelevanz vorausgesetzt – davon abhängig, ob überhaupt Wettbewerb besteht. Es ist daher anzuraten zunächst über eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt Interessensbekundungen abzufragen. Zwar sehen die Formulare des EU-Amtsblattes diesen Spezialfall nicht vor. Dennoch lässt sich über eine geschickte Nutzung des Formulars „Konzessionsbekanntmachung“ die Abfrage abbilden. Die Felder für „zusätzliche Angaben“ bieten die Möglichkeit dafür notwendige Anmerkungen und Erläuterungen aufzunehmen.

Bekunden mehrere Unternehmen ihr Interesse am Abschluss des Wasserkonzessionsvertrages bedarf es eines Verfahrens, welche die in der Rechtsprechung genannten Grundsätze einhält. Mangels konkreter Verfahrensvorschriften hat der Auftraggeber hier einen weitgehenden Gestaltungsspielraum. Dabei ist die Frage der sachgerechten und angemessenen Verfahrensgestaltung auch von der individuellen Situation vor Ort abhängig.

Regelmäßig bietet sich die Durchführung eines Verfahrens mit mindestens einer Verhandlungsrunde an. Die lange Laufzeit des Vertrages sowie die Komplexität des Betriebes eines Wasserversorgungkonzeptes sowie der damit verbundenen Wasserversorgung sprechen stark für die Verhandlung der Angebote, um eine möglichst optimale Vertragsgestaltung für die Übertragung dieser wichtigen Aufgabe zu erreichen.

Zu den Einzelheiten des Verfahrens, sei es die Festlegung der Kriterien, die Bereitstellung der Daten zum bestehenden Versorgungsnetz, der Umgang mit Rügen usw. hat sich noch keine gefestigte Rechtsprechung etabliert. Das erschwert Kommunen den Umgang mit der Neuvergabe von Wasserkonzessionsverträgen – eine unschöne Situation. Es bleibt zu hoffen, dass auf EU-Ebene und bzw. oder durch den Gesetzgeber zukünftig hier mehr Klarheit geschaffen wird.

von Rechtsanwältin Grit Hömke, Counsel bei BBH Köln

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