DTVP-Regionalforum Baden-Württemberg in Stuttgart
Regionalforum Baden-Württemberg am 03.09.2024

Zur Stillhaltefrist nach § 134 Abs. 2 GWB

Nach § 134 Abs. 2 GWB darf ein Vertrag – je nach Übermittlungsmethode – frühestens 10 bzw. 15 Kalendertage nach Absendung der Informationen nach § 134 Abs. 1 GWB über die Nichtberücksichtigung der Angebote anderer Bieter geschlossen werden.

Klar ist, dass die Frist am Tag nach Absendung der Information durch den Auftraggeber zu laufen beginnt. Auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Bieter kommt es nicht an. Die Frage des Fristendes ist demgegenüber weniger eindeutig. Insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob das Fristende auch auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fallen kann.

Bisher war es (nahezu) einhellige Meinung, dass die nach Kalendertagen bestimmte Frist auch an Wochenenden und Feiertagen enden kann. Dies mit der Konsequenz für den Auftraggeber, den Zuschlag direkt, auch an einem Sonnabend bzw. Sonn- oder Feiertag bzw. gleich am folgenden Werktag, erteilen zu können (bspw. VK Bund v. 28.06.2021 – VK 2 – 77/21; OLG Düsseldorf v. 14.05.2009 – VII-Verg 11/08). Eine Verschiebung des Fristendes auf den folgenden Werktag sollte weder über § 193 BGB noch über Art. 3 Abs. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 erfolgen.

Eine Ausnahme galt und gilt auch bisher für Fristen, die in einer Weise bemessen sind, dass dem Bieter kaum bzw. nicht ausreichend Zeit verbleibt, die Entscheidung des Auftraggebers kritisch nachzuvollziehen und selbst bzgl. der Einlegung eines Nachprüfungsantrags zu entscheiden. Dies wurde bpsw. in Fällen angenommen, in denen die Wartefrist so über (Oster-)Feiertage und Wochenenden gelegt wurde, dass dem Bieter für die Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag praktisch weniger als fünf Tage blieben (OLG Düsseldorf v. 5.10.2016 – VII-Verg 24/16; v. 5.11.2014 – VII-Verg 20/14). Auch in diesen Fällen verschiebt sich allerdings nicht das Fristende, vielmehr beginnt die Frist von vornherein überhaupt nicht zu laufen.

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG Bremen (Beschluss v. 4. November 2022 – 2 Verg 1/22) stellt der Vergabesenat die herrschende Sichtweise zum Fristende an Sonn- und Feiertagen in Frage. Ohne dass es auf diesen Aspekt ankäme, führt der Vergabesenat in den Entscheidungsgründen aus, dass seiner Ansicht nach die Berechnungsregeln der VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71im Zusammenhang der Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB Gültigkeit hätten (so auch VK Bund aaO.), sodass auch Art. 3 Abs. 4 Satz 1 der VO Beachtung finden müsste. Nach dieser Regelung verlängere sich eine am Sonn- bzw. Feiertag oder Sonnabend ablaufende Frist auf das Ende des sich anschließenden Arbeitstags. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel sei nur für Fälle vorgesehen, in denen es sich um eine rückwärts berechnete Frist handelt. Es sei jedoch zweifelhaft, dass es sich bei der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB um eine solche rückwärts berechnete Frist handelte (wie dies bspw. auch die VK Bund aaO angenommen hatte).

Ganz von der Hand zu weisen sind die Annahmen des OLG Bremen nicht, insbesondere mit Blick auf den Wortlaut der Norm. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass diese Frage keiner höheren Instanz zur Entscheidung vorgelegt werden konnte. Da die Ansicht des OLG Bremen nunmehr im Raum steht, kann sie nicht missachtet werden. Insofern ist Bietern zu raten, etwaige rechtliche Schritte rechtzeitig einzuleiten, d.h. davon auszugehen, dass die Stillhaltefrist auch an Sonn- und Feiertagen sowie Sonnabenden enden kann.

Auftraggebern bleibt nur zu raten, die Wartefrist so zu berechnen, dass deren Ende nicht auf ein Wochenende bzw. Feiertag fällt, bzw. den Zuschlag nicht vor Ablauf des darauffolgenden Werktags zu erteilen.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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Regionalforum Baden-Württemberg am 03.09.2024

Im Rahmen der nationalen Veranstaltungsreihe "Regionalforen" bietet das Deutsche Vergabeportal DTVP interessierten öffentlichen Auftraggebern aus Baden-Württemberg einen Überblick über landesrechtliche Besonderheiten bei der Anwendung der E-Vergabe und einen Einblick in die Nutzung der elektronischen Vergabeplattform DTVP.

Stuttgart | Di. 03.09.2024 | 08:30

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