Digitale Konferenz
Digitale Konferenz: Die Bietersicht auf Vergabeunterlagen

Transparente Vergabeverfahren

Unmittelbarer und kostenfreier Zugang zu Vergabeunterlagen

Die Zurverfügungstellung von Vergabeunterlagen ist die Grundlage für einen transparenten und fairen Wettbewerb. Die Vorschrift, die öffentlichen Auftraggebern auferlegt, Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt bereitzustellen, ist ein zentraler Pfeiler für die Gewährleistung von Transparenz und Chancengleichheit in Vergabeverfahren. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich daraus für öffentliche Auftraggeber ergeben.

Nach § 41 Abs. 1 VgV und den Entsprechungen in § 29 Abs. 1 UVgO sowie § 11 Abs. 3 VOB/A müssen die Vergabeunterlagen an der vom Auftraggeber angegebenen elektronischen Adresse kostenlos, uneingeschränkt, vollständig und direkt zugänglich sein. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in den in Abs. 2 und 3 beschriebenen Fällen zulässig. Der Auftraggeber ist für die Erfüllung dieser Anforderungen verantwortlich. Sie müssen kumulativ gewährleistet sein. Eine zeitweise oder dauerhafte Einschränkung oder das Fehlen auch nur einer dieser Anforderungen stellt einen Verstoß gegen § 41 Abs. 1 VgV dar. Verfahrensteilnehmer haben aufgrund des bieterschützenden Charakters der Vorschrift einen Anspruch darauf, dass ihnen die Vergabeunterlagen entsprechend zur Verfügung stehen.

  1. Unentgeltlichkeit

Der Abruf der Vergabeunterlagen muss unentgeltlich möglich sein. Dies bedeutet nicht nur die Unentgeltlichkeit des Abrufs der Unterlagen, sondern auch, wie es Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2014/24/EU formuliert, die Unentgeltlichkeit des Zugangs zu den Unterlagen. Der Auftraggeber darf daher weder die Vergabeunterlagen selbst noch die Benutzung der Internetseite, auf der sie zum Abruf bereitgestellt werden, mit Kosten belegen.
Die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf von § 41 VgV hält zum Kriterium der Unentgeltlichkeit fest:

„Unentgeltlich abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn kein an den Vergabeunterlagen Interessierter für das Auffinden, den Empfang und das Anzeigen von Vergabeunterlagen einem öffentlichen Auftraggeber oder einem Unternehmen ein Entgelt entrichten muss. Von dem Merkmal der Unentgeltlichkeit sind sämtliche Funktionen elektronischer Mittel, die nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik erforderlich sind, um auf Vergabeunterlagen zuzugreifen, umfasst.“

Dies bedeutet, dass neben den Vergabeunterlagen selbst und dem Zugang zu ihnen auch „Unterstützungsleistungen“ unentgeltlich sein müssen, die erforderlich sind, um auf die Vergabeunterlagen zugreifen zu können. Dies kann beispielsweise eine Software sein, die zur Öffnung oder Darstellung der Vergabeunterlagen benötigt wird, aber nicht allgemein verfügbar ist.

Es stellt grundsätzlich keine Beeinträchtigung der Kostenfreiheit dar, wenn der Auftraggeber oder ein von ihm beauftragter Dienstleister als Erfüllungsgehilfe (etwa DTVP als Betreiber einer E-Vergabeplattform) neben dem kostenfreien Zugriff auf Vergabeunterlagen zusätzliche Dienste anbietet, wie z. B., manuelle Suchanfragen als speicherbare Suchprofile zu speichern und zugehörige automatische Push-Dienste, die das Finden von Ausschreibungen auf einer E-Vergabeplattform erleichtern. Dabei ist es jedoch von zentraler Bedeutung, dass der Zugang zu den Vergabeunterlagen selbst unentgeltlich bleibt (etwa als Basisservice, bei DTVP ist das die BASIC-Edition). Sollte der Auftraggeber für die Bereitstellung der Vergabeunterlagen einen externen Dienstleister nutzen, liegt es in seiner Verantwortung, sicherzustellen, dass der Zugang kostenfrei erfolgt und dadurch die rechtlichen Anforderungen an die Unentgeltlichkeit erfüllt werden.

  1. Ohne Einschränkungen

Weiterhin muss der Zugang zu den Vergabeunterlagen und deren Abrufbarkeit ohne Einschränkung möglich sein, sowohl zeitlich als auch inhaltlich.
Der Zugang zu den Vergabeunterlagen ist zeitlich uneingeschränkt, wenn sie vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung bis zum Ende der Frist (im offenen Verfahren: Angebotsfrist, in allen anderen Verfahren: Teilnahmefrist) jederzeit verfügbar sind.

Inhaltlich uneingeschränkt abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn die elektronische Adresse einen eindeutig und vollständig beschriebenen medienbruchfreien elektronischen Weg zu den Vergabeunterlagen enthält. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich das interessierte Unternehmen auf der angegebenen Internetseite erst registrieren muss, bevor es einen Zugriff auf die Vergabeunterlagen erhält. Daher untersagt § 9 Abs. 3 VgV – über die Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU hinaus – ausdrücklich eine Registrierungspflicht für den Zugang zu den Vergabeunterlagen. Inhaltlich eingeschränkt wäre die Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen bzw. der Zugang zu ihnen auch dann, wenn zunächst Programme beschafft oder zeitweilig installiert werden müssten, um die Vergabeunterlagen abrufen oder öffnen zu können.

  1. Vollständigkeit

Die Vergabeunterlagen müssen zudem vollständig über die vom Auftraggeber angegebene elektronische Adresse zugänglich sein. Dies ist erfüllt, wenn alle Vergabeunterlagen und nicht nur Teile davon über die in der Bekanntmachung genannte Internetadresse abrufbar sind. Ausnahmen hiervon sind nur gemäß den Bestimmungen des § 41 Abs. 2 oder Abs. 3 VgV zulässig.

  1. Direkter Abruf

Die Vergabeunterlagen müssen an der vom Auftraggeber angegebenen elektronischen Adresse direkt und ohne Einschränkungen abrufbar sein. Das bedeutet zunächst, dass der Zugriff auf diese Dokumente nicht von einer vorherigen Registrierung abhängen darf, wie bereits im Kontext des uneingeschränkten Zugangs erläutert. Zum anderen muss die Bekanntmachung eine elektronische Adresse oder einen direkten Link enthalten, über den die Interessenten die Vergabeunterlagen ohne Hindernisse oder wesentliche Zwischenschritte direkt herunterladen können.

In einer hierzu ergangenen Entscheidung befasst sich der Vergabesenat des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.5.2019 – Verg 47/18) eingehend mit der Thematik. Demnach ist es für den Auftraggeber obligatorisch, sämtliche unnötigen Zwischenstufen oder Erschwernisse – wie das Durchführen mehrerer Klicks, das Navigieren durch diverse Links oder die Notwendigkeit, bestimmte Teile der Ausschreibungsunterlagen separat anzufordern (abgesehen von den in § 41 Abs. 2 VgV festgelegten Ausnahmen) – zu unterlassen. Stattdessen ist sicherzustellen, dass alle relevanten Vergabeunterlagen über einen einzigen, unmittelbar zugänglichen Link abrufbar sind.

  1. Fazit

Öffentliche Auftraggeber sollten unbedingt die Vorgaben des § 41 Abs. 1 VgV zur Bereitstellung von Vergabeunterlagen – unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig, direkt – befolgen. Hierbei tragen sie die Verantwortung, dies auch von externen Dienstleistern zu fordern. Abweichungen sind nur nach § 41 Abs. 2, Abs. 3 VgV zulässig. Die Einhaltung sichert die Transparenz und steigert die Effizienz des Vergabeverfahrens insbesondere durch die Vermeidung von Verzögerungen, die aufgrund einer drohenden Rückversetzung des Verfahrens in den Stand der Bekanntmachung zu befürchten sind. Zudem fördert sie den Wettbewerb, indem sie eine breitere Teilnahme von Unternehmen an Ausschreibungen ermöglicht.
Diese technische Umsetzung der Regelungen ist mit der Nutzung des Deutschen Vergabeportals sichergestellt.

Linda Winkler, Rechtsanwältin und Carsten Böke, LL.M., Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Vergaberecht, Böke Rechtsanwälte, Düsseldorf

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Digitale Konferenz: Die Bietersicht auf Vergabeunterlagen

Im Rahmen dieser Digitalen Konferenz erfahren öffentliche Auftraggeber, welche Änderungen die Einführung der E-Vergabe auf die Unternehmen (Bieter) hat, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen gelten und wie die Bieter das Deutsche Vergabeportal DTVP für die elektronische Angebotsabgabe in der Praxis einsetzen.

online | Do. 28.11.2024 | 10:00

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Mitarbeiter bei öffentlichen Auftraggebern, um einmal die Sicht der Bieter zu kennen.
* Für DTVP- und cosinex-Kunden ist die Anmeldung für einen Teilnehmer pro Vergabestelle kostenfrei.

Weitere Informationen

24. Informationstagung der IHK-GfI
„Unser Antrieb: Ihre Perspektive. Digitalisierung gemeinsam gestalten“ –unter diesem Motto fand am 25. und 26. April 2017 die 24. Informationstagung []
Alle (zwei) Jahre wiederkommen die neuen Schwellenwerte. Die neuen, ab 01. Januar 2022 geltenden Schwellenwerte finden Sie in diesem Artikel
Die aktuellen EU Schwellenwerte für öffentliche Auftragsvergabe finden Sie in unserem Ratgeber „Relevanz und Höhe der Schwellenwerte“. •    Bauaufträge : []

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