Vertrauensschutz in der Vergabepraxis: Rechtsprechung und ihre Folgen für die Eignungsprüfung

Einmal geeignet, immer geeignet? Vertrauensschutz in Vergabeverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb 

Aufträge dürfen nur an geeignete Unternehmen vergeben werden (§ 122 Abs. 1 GWB). Soviel ist klar. Klar ist auch, dass in Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Eignung vorgezogen in einem eigenen Verfahrensabschnitt zu prüfen ist. Aber bedeutet dies auch, dass eine einmal bejahte Eignung im Folgenden nicht mehr anders beurteilt werden kann?

Vertrauenstatbestand!

Das OLG Düsseldorf hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach in Fällen, in denen es um die Zulassung zum Verhandlungsverfahren ging, entschieden, dass eine einmal positiv festgestellte Eignung – anders als im offenen Verfahren – einen Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet (Beschluss vom 29.3.2021 – Verg 9/21; Beschluss vom 27.4.2022 – VII-Verg 25/21; Beschluss vom 8.3.2023 – VII-Verg 25/22). Eine einmal durch den Auftraggeber bejahte Eignung könne bei gleichbleibender Tatsachengrundlage im Folgenden nicht mehr anders beurteilt werden. Dies gelte selbst dann, wenn die Eignung im Teilnahmewettbewerb zu Unrecht angenommen wurde.

Dass dies nicht nur im Rahmen der VgV, sondern ebenso im Rahmen der SektVO gilt, hat kürzlich die VK Bund (Beschluss vom 31.1.2024 – VK 1 – 99/23) entschieden. Die Vergabekammer sieht keinen Grund, den über den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geltenden Vertrauensschutz nicht auch unabhängig von der jeweils anwendbaren Vergabeordnung anzuwenden.

Einschränkend gilt allerdings, dass ein Vertrauenstatbestand nur dann begründet werden kann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber abschließend bejaht hat. Daran fehlt es beispielsweise, wenn Unternehmen nicht zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs sämtliche zur Eignungsprüfung notwendigen Unterlagen eingereicht haben oder sich der öffentliche Auftraggeber die Abfrage weiterer Eignungsunterlagen im weiteren Verfahren vorbehalten hat.

Diese Entscheidung bestätigt, dass die VK Bund ihre ehemals anderslautende Auffassung (vgl. Beitrag) nicht mehr aufrechterhält (vgl. bereits VK Bund, Beschluss vom 6.10.2021 – VK 2 – 45/21).

Vertrauenstatbestand?

Demgegenüber bezweifelt die VK Rheinland (Beschluss vom 28.6.2022 – VK 39/21), dass ein zugunsten eines Bewerbers begründeter Vertrauenstatbestand (bei rechtswidrig bejahter Eignung) tatsächlich einem rechtsschutzsuchenden Konkurrenzunternehmen entgegengehalten werden könne.

Die Vergabekammer sieht dies vor dem Hintergrund äußerst kritisch, als Konkurrenzunternehmen im Ergebnis primärrechtsschutzlos gestellt würden, was den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie widerspräche.

Fazit

Auftraggeber sollten die Entwicklung in der Rechtsprechung im Auge behalten. Vor dem Hintergrund der Entscheidung der VK Rheinland ist es keineswegs klar, dass die Auffassungen des OLG Düsseldorf und der VK Bund künftig uneingeschränkt Bestand haben werden. Schließlich hatte die VK Rheinland die Einreichung eines Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH bereits in Erwägung gezogen.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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