Die Vergabe von Planungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb
Digitale Konferenz: Vergabe von Planungsleistungen

Klassische VHB-Formulare etc.: Ein Auslaufmodell im Zeitalter der E-Vergabe?

  1. Elektronische Vergabe als Regelfall: Viele unzweifelhafte Vorteile

Seit der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien im Jahre 2016 in nationales Vergaberecht ist bei allen Vergaben mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte und grundsätzlich auch bei UVgO-Vergaben für öffentliche Auftraggeber die elektronische Durchführung der Vergabeverfahren Pflicht (§§ 9 VgV, 11 EU VOB/A, 38 Abs. 3 UVgO). Zwar haben öffentliche Auftraggeber bei Auftragsvergaben im Baubereich, die mit ihrem geschätzten Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte fallen, die freie Wahl zwischen der Zulassung elektronischer oder schriftlicher Angebote (s. § 13 VOB/A, 1. Abschnitt). Auch bei VOB/A-Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte dürfte die Wahl der Angebotsabgabe durch die öffentlichen Auftraggeber in den mit Abstand meisten Fällen aber auf die rein elektronische Form fallen.

Dies folgt schon daraus, dass E-Vergabeverfahren viele unzweifelhafte Vorteile haben: Sie sparen Zeit sowie Kosten und Bürokratie. Sie tragen zudem zu einer größeren Transparenz und einer guten Dokumentation bei. Auch gewährleisten sie mehr Rechtssicherheit und stärken die Korruptionsprävention: Für kleine und mittlere Unternehmen bieten E-Vergaben weiterhin eine einfache Beteiligungsform an Ausschreibungen. Schließlich sind elektronische Vergaben umweltfreundlicher. Sie sparen (früher notwendige) Transporte von Angeboten und Papier.

  1. Vorteile einheitlicher Formulare

Aber auch Formulare in öffentlichen Vergabeverfahren – speziell die des Vergabehandbuchs (VHB) des Bundes – bieten eine Vielzahl von Vorteilen sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bieter. Sie sorgen für eine Einheitlichkeit und Standardisierung. Sie tragen zudem zu klaren Abläufen und zur Vergleichbarkeit der Angebote bei. Auch gewährleisten sie Transparenz, Effizienz und Arbeitserleichterung in der Abwicklung von Vergabeverfahren.

  1. E-Vergabe und Formularwesen: Nicht immer beste Freunde

Eine Herausforderung, wenn nicht sogar ein Problem kann es aber beinhalten, wenn die E-Vergabe mit dem (VHB-)Formularwesen in Vergabeverfahren – wie so oft – zusammentrifft. Denn beide Teile des einheitlichen Vergabeverfahrens sind (noch) keine besten Freunde. Vielmehr bilden Formulare bei der elektronischen Vergabe in vielerlei Hinsicht einen Hemmschuh und sind vergaberechtlich oft sogar bedenklich.

Dabei ist der Grundsatz herauszustellen, dass Vergabeformulare stets nur eine Erleichterung für das Verfahren darstellen können. Sie müssen sich aber immer in die Vorgaben des insoweit höherrangigen Vergaberechts einfügen. Ein Widerspruch oder sogar eine Abänderung von Vergaberecht beinhaltet daher einen Vergabeverstoß und kann gravierende Folgen haben.
Insgesamt lassen sich die Ursachen für das schwierige Zusammenspiel von E-Vergabe und der Anwendung der Vergabeformulare wie folgt zusammenfassen:

  • Medienbruch und Formatprobleme

Die VHB-Formulare sind oft als PDF oder Word-Dokumente konzipiert und nicht auf strukturierte, maschinenlesbare Datenformate ausgerichtet, die bei der E-Vergabe entscheidend sind.

  • Papierlogik in digitaler Umgebung: Checkboxen, handschriftliche Unterschriften oder unstrukturierte Freitextfelder funktionieren in elektronischen Workflows nicht sinnvoll.
  • Fehlende Interoperabilität: Die VHB-Formulare lassen sich schwer automatisiert in E-Vergabe-Plattformen integrieren, was die Auswertung und Verarbeitung erschweren.
  • Keine Konformität von Formularen mit digitalen Vergabeplattformen

E-Vergabe-Plattformen arbeiten zunehmend mit strukturierten Datensätzen wie XML, XRechnung oder GAEB (bei Bauleistungen).

  • (VHB-)Formulare sind oft nicht in diese Systeme integrierbar, ohne sie aufwendig umzuformatieren oder manuell zu übertragen.
  • Das widerspricht dem Effizienzgedanken der E-Vergabe und kann zu Fehlerquellen führen (z.B. durch Copy&Paste, falsche Versionen etc.).
  • Vergaberechtliche Bedenken

Das EU-Vergaberecht (insbesondere §§ 9 VgV, 11 EU VOB/A) schreibt die Durchführung von medienbruchfreien und elektronischen Prozessen vor. Klassische Formulare bergen daher Risiken:

  • Formmängel: Die Verwendung nicht digitalisierter oder unstrukturierter Formulare kann als Formfehler gewertet werden, insbesondere, wenn sie z.B. nicht barrierefrei, unleserlich oder falsch übermittelt oder wenn verlangte Formatvorgaben nicht exakt befolgt werden. Dies kann in der letzten Konsequenz einen zwingenden Angebotsausschluss bedeuten.
  • Widersprüchliche/unklare (Form-)Vorgaben: Gesetzliche (Form-)Vorgaben divergieren teils mit denen der Formulare, insbesondere bei den Anforderungen an Angebote (vgl. §§ 53 Abs. 1 VgV, 11 Abs. 4 EU VOB/A, 38 UVgO). Formblätter sehen hier häufig noch Unterschriftstextfelder vor, während nach dem Gesetz grundsätzlich die Textform – ohne Unterschrift – genügt. Hinzu kommt erschwerend, dass die Anforderungen an die Textform auch von den Nachprüfungsinstanzen teils uneinheitlich beurteilt werden (vgl. bspw. VK Baden-Württemberg, v. 04.10.2022, 1 VK 37/22; VK Sachsen, 13.03.2023 – 1/SVK/034-22).
  • Verstoß gegen das Transparenzgebot: Wenn durch unstrukturierte Formulare Informationen schwerer auffindbar oder auswertbar sind, kann dies das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot verletzen.
  • Widerspruch zum Ziel der Digitalisierung

Die öffentliche Beschaffung ist gezielt durch die Vorgabe der Digitalisierung und durch die damit verbundene Pflicht zur E-Vergabe effizienter, transparenter, fehlerfreier und auch manipulationssicherer geworden. (VHB-)Formulare, die in ihrer ursprünglichen Form nicht digital sind, sondern nach wie vor aus der „haptischen Welt“ stammen, stehen diesem Ziel entgegen. Konfliktpunkte ergeben sich insbesondere durch die Nutzung der Formulare in folgenden Feldern:

  • Kein standardisierter Datenaustausch,
  • Verlangsamung von Prüf- und Vergabeprozessen,
  • Erschwerte Nachvollziehbarkeit im Fall von Nachprüfungsverfahren.
  1. Verwendung der VHB-Formulare kann zum Vergabeverstoß führen

Negative Folgen, speziell bei nicht vergaberechtskonformen Formularen, bestehen. Denn deren Anwendung kann zu einem zwingenden Ausschluss und zur Feststellung einer Formunwirksamkeit in Nachprüfungsverfahren wegen eines Vergabeverstoßes führen (s. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.04.2025 – Verg 35/24) zur Unzulässigkeit des sog. Bietungsfaktors (s. HVA B-StB).

  1. Konkrete Empfehlung

Als Fazit aus dem Spannungsfeld zwischen der E-Vergabe einerseits und der gewünschten Nutzung der Vergabeformulare andererseits lassen sich drei Empfehlungen geben:

  • Nutzung digitaler, strukturierter Formate durch öffentliche Auftraggeber (z. B. GAEB, XML, XRechnung),
  • Anpassung der (VHB-)Formulare an die E-Vergabeanforderungen: Hier sind die Urheber der Formulare und die verschiedenen Systembetreiber gefordert.
  • Integration der jeweiligen Formulare in die einzelnen E-Vergabe-Plattformen mit der Maßgabe des Vorhandenseins von klaren Schnittstellenstandards.

Norbert Portz, Rechtsanwalt und Beigeordneter des DStGB a.D.;
Prof. Dr. Christian-David Wagner, Rechtsanwalt

(Der Beitrag wurde auch mithilfe von Quellen aus ChatGPT erstellt)

Die Vergabe von Planungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb
Digitale Konferenz: Vergabe von Planungsleistungen

Wir stellen Ihnen in diesem Webinar die Besonderheiten der Vergabe von Planungsleistungen (Architekten- und Ingenieurleistungen) dar und demonstrieren Ihnen die Abwicklung im Wege eines Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb über das Deutsche Vergabeportal (DTVP).

online | Do. 21.05.2026 | 08:30

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Mitarbeiter/-innen von Vergabestellen, die an Vergabeverfahren beteiligt sind.
  • Architekten, Ingenieure, Planer
  • Projektsteuerungen

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