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Die Akteneinsicht im Ober- und Unterschwellenbereich

Vor dem Hintergrund, dass Bieterunternehmen keine oder allenfalls nur eingeschränkte Kenntnis der (Entscheidungs-)Vorgänge im Vergabeverfahren haben, ist die Akteneinsicht von großer praktischer Bedeutung. In der Regel kennen Bieterunternehmen nämlich nur die Vergabeunterlagen, ihr eigenes Angebot, ggf. etwaige Mitteilungen des Auftraggebers sowie die wesentlichen Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots nach § 134 Abs. 1 GWB. Allein auf dieser Grundlage müssen die Unternehmen entscheiden, ob sie die Überprüfung von Vergaberechtsverstößen für aussichtsreich erachten. Dieser offensichtliche „Kenntnisnachteil“ soll im Oberschwellenbereich durch die Akteneinsichtnahme behoben werden.

Das Recht auf Akteneinsicht setzt allerdings einen beachtlichen und entscheidungserheblichen Sachvortrag voraus. Danach besteht ein Anspruch auf Akteneinsicht nicht, wenn der Bieter ins Blaue hinein, aufs Geratewohl bzw. zu Ausforschungszwecken Fehler oder mögliche Verstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von gewährter Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung bislang substanzloser Mutmaßungen zu erhalten (OLG Düsseldorf, B.v. 9.1.2020, VII-Verg 10/18). Ferner beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht allein auf den Verfahrensgegenstand. Es besteht kein Recht auf Einsicht in nicht Aktenbestandteile, die in keinem Zusammenhang zum laufenden Verfahren stehen (OLG München, B.v. 19.3.2019, Verg 3/19; OLG Brandenburg, B.v. 10.11.2011, Verg W 13/11).

Ebenso wird das Akteneinsichtsrecht versagt, wenn Gründe des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen dies gebieten (§ 165 Abs. 2 GWB). Nach der Definition des BVerfG (BGH, B.v. 31.1.2017, X ZB 10/16 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 14.3.2006, 1 BvR 2087/03) gehören dazu alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, in Bezug auf die sein Geheimhaltungswille bekundet worden oder erkennbar ist und von denen sich ein größerer Personenkreis nur unter Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen kann [1]. Nach § 165 Abs. 3 GWB haben Bieter im Sinne einer Mitwirkungsobliegenheit bei Übersendung der Akten auf Geschäftsgeheimnisse hinzuweisen und diese kenntlich zu machen. Allerdings entfaltet dies seinerseits keine bindende Wirkung für die Vergabekammern (EuGH, U.v. 14.2.2008, C-450/06).

Bei Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (bzw. anderen wichtigen Gründen) ist dann eine einzelfallabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen, des Offenlegungsinteresses einerseits mit dem Geheimhaltungsinteresse andererseits vorzunehmen. Überwiegt das Geheimhaltungsinteresse, wird die Akteneinsicht versagt.

Im Unterschwellenbereich gibt es demgegenüber für eine umfassende Akteneinsicht keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Dies gilt für die UVgO ebenso wie für die Landesvergabegesetze.

Zwar kann nach überwiegender Ansicht ein Einsichtsanspruch auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB gestützt werden. Bzgl. der Grenzen und des Umfangs bestehen in der Rechtsprechung jedoch erhebliche Unterschiede [2].
Entsprechend können Bieter sich nicht darauf verlassen, im Unterschwellenbereich über den Weg der Akteneisicht überhaupt etwas in Erfahrung zu bringen.

 

[1] Auch § 2 Nr. 1 lit. a bis c GeschGehG enthält eine Definition des Geschäftsgeheimnisses, die ihrerseits höhere Anforderungen an das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen stellt als das BVerfG.

[2] LG Oldenburg, B.v. 2.10.2019, 5 O 1819/19 sieht weites Einsichtsrecht; demgegenüber sieht OLG Köln, B.v. 29.1.2021, 11 U 14/19 Beschränkung durch Vorgaben der VOB/A.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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