Digitale Konferenz
Digitale Konferenz: Die Bietersicht auf Vergabeunterlagen

Zum Beurteilungsspielraum des Auftraggebers und der gebotenen Prüfungstiefe im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung

Nicht selten kommt es vor, dass ein Konkurrent die Eignung des Bestbieters anzweifelt, weil der Konkurrent – nicht zuletzt aufgrund vertiefter Marktkenntnisse – zu wissen meint, dass der Zuschlagsaspirant die gebotene Eignung gar nicht besitzen könne. Ob und wie Auftraggeber darauf zu reagieren haben, bzw. zu der Frage der Prüfpflicht des Auftraggebers im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung und deren Reichweite, hat die VK Rheinland (B.v. 27.3.2023 – VK 1/23) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung ausgeführt.

Ausgeschrieben war die Sammlung und Verwertung von Alttextilien. Mit Angebotsabgabe waren drei näher beschriebene Referenzen einzureichen. Die für den Zuschlag nicht vorgesehene Bieterin (B) hatte einen Nachprüfungsantrag eingereicht und bemängelt, dass die Zuschlagsaspirantin (Z) die Eignungsanforderungen nicht erbracht haben könne. In diesem (ersten) Verfahren hatte das OLG den Auftraggeber verpflichtet, die Wertung der Angebote nach erneuter materieller Prüfung der Eignung zu wiederholen. Nachdem sich der Auftraggeber mittels Fragekatalog an die Z bzgl. deren Eignung gewandt und zudem Bestätigungsschreiben der Referenzgeber erhalten hatte, bejahte er erneut deren Eignung und wollte ihr den Zuschlag erteilen. B reichte einen weiteren Nachprüfungsantrag ein, da sie nach wie vor meint, die Z könne die materiellen, inhaltlichen Anforderungen an die Referenzen gar nicht erfüllt haben.

Ohne Erfolg! Der Auftraggeber hat die materielle Eignungsprüfung in vergaberechtskonformer Weise durchgeführt. Sowohl in Bezug auf die Prognoseentscheidung, um die es sich bei der materiellen Eignungsprüfung handelt, als auch in Hinblick auf die Prüftiefe steht dem öffentlichen Auftraggeber ein von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Der Auftraggeber ist grds. frei darin, wie er sich die für die Eignungsbeurteilung erforderlichen Kenntnisse verschafft. Die Kenntnisverschaffung muss allerdings „methodisch vertretbar“ sein und darf vergaberechtlichen Grundsätzen nicht widersprechen. Es geht aber nicht darum festzustellen, ob neben den vom Auftraggeber gewählten Methoden noch andere taugliche Methoden zur Aufklärung zur Verfügung gestanden hätten.

Vor dem Hintergrund des Interesses des Auftraggebers an einer zügigen Beschaffung und der begrenzten Ressourcen und administrativen Mittel unterliegt die gebotene Überprüfung gewissen Zumutbarkeitsgrenzen. Auftraggeber müssen nicht sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. Sie dürfen vielmehr grds. darauf vertrauen, dass die von den Bietern in den eingereichten Unterlagen gemachten Angaben wahrheitsgemäß erfolgt sind. Auftraggeber sind auch nicht verpflichtet, die Einschätzungen von Referenzgebern durch eigene Ermittlungen zu überprüfen.

Zu Recht schränkt die Kammer die Prüfpflichten der Auftraggeber vor oben genanntem Hintergrund auf ein zumutbares Maß ein. Dieser Maßstab gilt allerdings dann nicht mehr, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls belastbare Anhaltspunkte ergeben, die tatsächlich auf die Unrichtigkeit der eingereichten Unterlagen und Angaben des Bieters hindeuten. Denn: „(…) wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen (…)“ (OLG Düsseldorf B.v. 12.8.2021, Verg 27/21). (Nur) In solchen Fällen werden Auftraggeber eine vertiefte Prüfung vornehmen müssen.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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Digitale Konferenz: Die Bietersicht auf Vergabeunterlagen

Im Rahmen dieser Digitalen Konferenz erfahren öffentliche Auftraggeber, welche Änderungen die Einführung der E-Vergabe auf die Unternehmen (Bieter) hat, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen gelten und wie die Bieter das Deutsche Vergabeportal DTVP für die elektronische Angebotsabgabe in der Praxis einsetzen.

online | Do. 28.11.2024 | 10:00

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Mitarbeiter bei öffentlichen Auftraggebern, um einmal die Sicht der Bieter zu kennen.
* Für DTVP- und cosinex-Kunden ist die Anmeldung für einen Teilnehmer pro Vergabestelle kostenfrei.

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24. Informationstagung der IHK-GfI
„Unser Antrieb: Ihre Perspektive. Digitalisierung gemeinsam gestalten“ –unter diesem Motto fand am 25. und 26. April 2017 die 24. Informationstagung []
Alle (zwei) Jahre wiederkommen die neuen Schwellenwerte. Die neuen, ab 01. Januar 2022 geltenden Schwellenwerte finden Sie in diesem Artikel
Die aktuellen EU Schwellenwerte für öffentliche Auftragsvergabe finden Sie in unserem Ratgeber „Relevanz und Höhe der Schwellenwerte“. •    Bauaufträge : []

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