Vergaberecht für Fördermittelempfänger
Führt vorzeitiger Maßnahmebeginn zur Rückforderung der Fördermittel?
Wer öffentliche Fördermittel zur Umsetzung seiner Maßnahmen in Anspruch nimmt, muss besonders auf die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften achten. So will es das Haushaltsrecht und der Fördermittelgeber folgt der Vorgabe, etwa, indem er die Allgemeinen Nebenbestimmung gem. VV § 44 BHO/LHO zum Gegenstand des Förderbescheids macht.
Was ist ein vorzeitiger Maßnahmebeginn?
Eine weitere folgenreiche Vorgabe enthält VV Nr. 1.3 zu § 44 BHO: Bereits begonnene Vorhaben dürfen grundsätzlich nicht gefördert werden. Andersherum gewendet, darf im Regelfall mit der Durchführung der geförderten Maßnahme erst nach Erhalt des Förderbescheids begonnen werden. Ausnahmen von diesem „Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns“ müssen bei dem Fördermittelgeber ausdrücklich beantragt und von diesem bewilligt werden.
Die einschlägigen Richtlinien bestimmen zudem in der Regel, dass die Durchführung der Maßnahme mit Abgabe einer verbindlichen Willenserklärung zum Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Vertrags beginnt. Teilweise werden die maßgeblichen Zeitpunkte länderspezifisch oder in der jeweiligen Förderrichtlinie bzw. Förderpraxis konkretisiert.
Das heißt: Schließt der Fördermittelempfänger einen Lieferungs- oder Leistungsvertrag vor Zugang des Zuwendungsbescheids, stellt dies einen vorzeitigen Maßnahmebeginn dar – soweit dieser Vertrag der Vorhabenausführung zuzurechnen ist. Wird bei einem Mittelabruf oder bei der Verwendungsnachweisprüfung ein vorzeitiger Maßnahmebeginn festgestellt, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des Förderbescheids und damit die Rückforderung der Fördermittel.
Maßgeblicher Zeitpunkt und Vergabeverfahren entscheiden, ob ein vorzeitiger Maßnahmebeginn vorliegt
Im Vergabeverfahren wird der Vertrag durch den Zuschlag geschlossen. Für einen möglichen vorzeitigen Maßnahmebeginn kommt es daher auf den Zeitpunkt an, zu dem die Zuschlagsmitteilung den Empfänger erreicht.
Bei Baumaßnahmen kann im Einzelfall unklar sein, inwieweit die Beauftragung der erforderlichen Planungsleistungen bereits zu einem vorzeitigen Maßnahmebeginn führen kann. Die Regelung in VV Nr. 1.3 zu § 44 BHO besagt hierzu, dass bei Baumaßnahmen Planung, Bodenuntersuchung, und Grunderwerb nicht als Beginn des Vorhabens gelten – außer sie sind alleiniger Zweck der Zuwendung.
Aber Vorsicht: Es gibt unterschiedliche Regelungen auf Landesebene! In Bayern gelten z. B. Verträge über Leistungen zur Vorbereitung oder Planung des Projekts nicht als Beginn des Vorhabens – bei Baumaßnahmen gilt dies bis zur Leistungsphase 7 der HOAI (Nr. 1.3.2 VV zu Art. 44 BayHO i. d. F. vom 01.01.2024), außer die Planung ist einziger Zweck der Zuwendung. Anders in Hessen: Hier gelten Planung, Bodenuntersuchung, Beauftragung von Fachgutachten, Grunderwerb und Herrichten des Grundstücks (z. B. Gebäudeabbruch, Planieren) nicht als Beginn des Vorhabens, sofern sie nicht einziger Zweck der Zuwendung sind. Es ist also entscheidend, die jeweils anwendbaren Vorschriften zu kennen.
Unter welchen Umständen ist ein förderunschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn möglich?
Doch was soll man tun, wenn ein vorzeitiger Maßnahmebeginn festgestellt wurde? Etwas Hoffnung könnten Zuwendungsempfänger infolge einer neuen Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.09.2023 – 4 A 2549/20) schöpfen. In dem dortigen Fall hatte der Fördermittelempfänger Planungsleistungen der HOAI-Leistungsphasen 7 und 8 beauftragt. Der Fördermittelgeber wollte zunächst nur diese Leistungsphasen von der Förderung ausnehmen, strich aber später die gesamte Förderung der Baumaßnahme wegen eines vorzeitigen Maßnahmebeginns.
Zu Unrecht, wie das OVG entschied – denn zum einen hatte der Fördermittelgeber in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit keinen vorzeitigen Maßnahmebeginn angenommen, verstieß also gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Zum anderen stellt das Gericht auf den Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns ab. Denn damit soll die Förderung von Maßnahmen verhindert werden, die auch ohne die Förderung verwirklicht worden wären. Es sollen also nur Antragsteller Fördermittel erhalten, die diese auch benötigen. Der Jurist spricht hier vom „Subsidiaritätsgrundsatz“. Wer die Maßnahme vorzeitig beginnen kann, zeigt dadurch, dass er sie auch ohne Fördermittel umsetzen will und wird.
Diese Schlussfolgerung ließ das Gericht aber im konkreten Fall aufgrund des geringen Umfangs der vorzeitig beauftragten Leistungen im Verhältnis zur gesamten Bausumme nicht gelten. Dass der Fördermittelempfänger den Planer vor Erhalt des Förderbescheids beauftragt hatte, bedeutete also nicht automatisch, dass er das gesamte Bauprojekt unabhängig von der Förderung hätte umsetzen wollen und können.
Praxistipp: Grundlagen des Zuwendungsrechts beachten
Wenn Sie eine öffentlich geförderte Maßnahme umsetzen, sollten Sie bei der Konzeptionierung und Planung der erforderlichen Vergabeverfahren die zuwendungsrechtlichen Vorgaben und insbesondere das Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns mit bedenken. Es darf aber keinesfalls vor dem Erhalt des Förderbescheids der Zuschlag für eine ausführungsrelevante Leistung erteilt werden. Beginnen Sie Vergabeverfahren also nicht zu früh – am besten warten Sie möglichst die Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids ab. Beginnen Sie aber auch nicht zu spät mit dem Vergabeverfahren. Sie könnten sonst Gefahr laufen, die Maßnahme nicht innerhalb des Bewilligungszeitraums umsetzen zu können. Wenn Ihnen bereits ein vorzeitiger Maßnahmebeginn vorgeworfen wird, könnte die aufgezeigte Gerichtsentscheidung mitunter hilfreich sein.
Ansprechpartner
Valentin Klumb, B.A. (valentin.klumb@ebnerstolz.de) und Martin Schumm, LL.M. (martin.schumm@ebnerstolz.de) –
Rechtsanwälte und Fachanwälte für Vergaberecht, RSM Ebner Stolz PartGmbB, Bonn
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