Verzögerung bei Verfahren zur Neubeschaffung einer Leistung kein Grund für dringliche Interimsvergaben

Oft entsteht die Notwendigkeit einer Interimsvergabe, wenn ein Vergabeverfahren für einen Folgeauftrag noch nicht abgeschlossen werden konnte. Regelmäßig erscheint es die einfachste Lösung, den bisherigen Auftragnehmer im Rahmen einer Interimsvergabe mit der Fortsetzung der Leistungserbringung zu beauftragen. Allerdings zeigen neue Entscheidungen in jüngerer Zeit, dass dies oft nicht zulässig ist. Die Beachtung des Vergaberechts und damit auch des Wettbewerbsgrundsatzes gelten auch für Interimsvergaben.

  1. Wettbewerb herstellen

So hatte die VK Bund bereits im Juli letzten Jahres (Beschl. v. 20.07.2022 – VK 2-60/22) in einem Fall einer solchen Interimsvergabe betont, dass es nicht ausreicht, beim Abschluss der Interimsvereinbarung den bisherigen Anbieter zum Angebot aufzufordern. Der Auftraggeber hatte mit Blick auf das Auslaufen des aktuellen Vertrages eine Neuausschreibung angestoßen. Während das Ausschreibungsverfahren im Gang war, wurde klar, dass es voraussichtlich nicht bis zum Ende des noch laufenden Vertrages (Vorvertrag) abgeschlossen sein wird. In dem laufenden Ausschreibungsverfahren waren mehrere Bieter beteiligt, unter anderem die Bieterin, welche die Interimsvergabe angriff.

Im Nachprüfungsverfahren wurde von der VK Bund festgestellt, dass in Kenntnis weiterer möglicher Anbieter (hier aus dem Verfahren zur Neubeschaffung) es einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz darstellt, nur den bisherigen Auftragnehmer für die Interimsvergabe zu berücksichtigen. Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 24.11.2022 – 11 Verg 5/22) bestätigt in seiner Entscheidung zu einem Fall der behaupteten Dringlichkeitsvergabe die Ansicht, dass nicht nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in eine Interimsvergabe einbezogen werden dürfe. Auch hier war die Interimsvergabe erfolgt, weil das für die Neubeschaffung in Gang gesetzte Ausschreibungsverfahren nicht rechtzeitig vor Ablauf des bisherigen Vertrages abgeschlossen werden konnte.

  1. Verzögerungen im Vergabeverfahren begründen keine Dringlichkeit

Dass in beiden zu entscheidenden Fällen die Vergabestellen eine Dringlichkeit der Interimsvergabe sahen, wurde weder im Fall der VK Bund noch im Fall des OLG Frankfurt in den Entscheidungsgründen als rechtmäßig eingestuft. Im Fall der VK Bund war eine schleppende Verfahrensvorbereitung schon Grund für einen engen Zeitplan, bei dem der Zuschlag erst knapp vor Ablauf des Vorvertrages möglich gewesen wäre. Durch Bieteranfragen kam es zu einer Fristverlängerung im Verfahren und der entsprechenden Anpassung des Zeitplans. Diese Entwicklung sah die Vergabestelle als unvorhersehbares Ereignis an, welches ihr nicht zuzurechnen sei. Die VK Bund teilte diese Ansicht nicht, da die Vergabestelle mit solchen durchaus üblichen Verzögerungen im Verfahren rechnen müsse. Sie sei daher verpflichtet, die Neuvergabe so früh einzuplanen, dass ein ausreichendes Zeitfenster für Verzögerungen eingeplant werden könne.

In dem durch das OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall war die Interimsvergabe notwendig geworden, weil im laufenden Ausschreibungsverfahren für die Neubeschaffung Rügen erhoben und nach Nichtabhilfe ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet worden war. Das OLG Frankfurt sah auch darin keine unvorhergesehene Verzögerung. Der öffentliche Auftraggeber müsse die Wahrung von Rechtspositionen durch die Bieter berücksichtigen. Ergänzend kam für die Ablehnung der auch hier von der Vergabestelle behaupteten Dringlichkeit hinzu, dass der Abschluss der Interimsvereinbarung erst nach Ablauf des Vorvertrages und mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgte. Das Gericht mahnte an, dass öffentliche Auftraggeber die Interimsvergabe frühzeitig, d.h. ab Kenntnis von deren Notwendigkeit, einleiten müssten.

In beiden Entscheidungen wird betont, dass im Falle unverzichtbarer Leistungen für die Allgemeinheit eine Dringlichkeitsvergabe auch bei Fehlen der rechtlichen Voraussetzungen Bestand haben muss. Der Staat muss in der Lage bleiben, seine Aufgaben zu erfüllen. Wann eine Leistung als unverzichtbar einzustufen ist, ist dabei Frage des Einzelfalles. So wurde dies im Fall der VK Bund verneint, da nicht nachgewiesen war, dass die bisher vorhandene Sicherheitsausstattung nicht bis zum Abschluss des Neuvertrages ausreiche.

  1. Fazit

Vergabestellen ist daher anzuraten, Neuvergaben wiederkehrender Leistungen so frühzeitig einzuleiten, dass Verzögerungen, Rückversetzungen und Angriffe gegen das Verfahren einen rechtzeitigen Zuschlag nur im unwahrscheinlichen Fall verhindern. Sollte dies nicht gelingen, ist eine Interimsvergabe ebenso frühzeitig einzuleiten. Es ist keine Direktvergabe durchzuführen, sondern ein Wettbewerb zu eröffnen. Dabei sollten die am Ausschreibungsverfahren für die Neuvergabe beteiligten Bewerber bzw. Bieter an der Interimsvergabe beteiligt werden.

von Rechtsanwältin Grit Hömke, Counsel bei BBH Köln

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