Vergaberecht im Gesundheitswesen: Rechtssichere Beschaffung
DTVP- Fachforum für das Gesundheitswesen am 26.03.2025

Zuwendungsrecht und Vergaberecht – Teil 2: Vergaberechtsfehler als Auflagenverstoß

In Teil 1 der Reihe ging es um die Schnittstellen von Zuwendungs- und Vergaberecht, insbesondere aber um die Möglichkeit, Vergaberecht über die Einbeziehung von Nebenbestimmungen in den Zuwendungsbescheid, regelmäßig in Form von Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen (ANBest), zur Anwendung zu bringen. Dadurch droht dann bei Vergaberechtsfehlern, also Auflagenverstößen, die Rückforderung bereits gewährter Leistungen bzw. die Nicht-Auszahlung vorgehaltener Mittel.

Dieser Beitragsteil befasst sich ausführlicher mit möglichen Vergaberechtsfehlern sowie den unterschiedlichen Maßstäben, die im Rahmen von vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und beim (potenziellen) Widerruf der Zuwendung angesetzt werden.

  1. Objektiver Vergaberechtsverstoß als Auflagenverstoß

Dem Grunde nach kann jeder Vergabefehler – gleich, wie klein oder groß – zur (Teil-)Rückforderung der Zuwendung führen, denn: Dem Grunde nach stellt jeder (objektive) Vergabeverstoß einen Auflagenverstoß dar, der nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 (L-)VwVfG[1] zum Widerruf des Zuwendungsbescheids und damit zur Rückforderung der Zuwendung nach § 49a (L-)VwVfG berechtigt.

Der Widerrufstatbestand selbst differenziert nämlich nicht nach der Intensität oder der Vorwerfbarkeit des im Raum stehenden Verstoßes gegen das Vergaberecht bzw. dessen Folgen für die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Es genügt die Tatsache, dass ein objektiver Verstoß gegen eine Auflage – das Vergaberecht – erfolgte. Wie dieser festgestellte Verstoß zu bewerten ist, ist Bestandteil der behördlichen Ermessensentscheidung auf Rechtsfolgenseite (bspw. VG Gießen vom 11.12.2023 – 4 K 1641/22). Insofern schützt auch Unwissenheit nicht vor Rückforderung und kann allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden (VG München vom 25.4.2024 – M 31 K 21.2797).

Bildlich gesprochen geht also bei jedwedem Vergabefehler die „Tür“ des Widerrufs erst einmal auf. Ob dann auch hindurchgegangen wird, ist dann auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens der Widerrufsbehörde zu prüfen.

Nach hiesiger Meinung kann allerdings ein „objektiver Verstoß“ nur angenommen werden, wenn bzgl. des entsprechenden vergaberechtlichen Fehlverhaltens auch einheitlich von einem Vergabeverstoß ausgegangen wird. Divergieren zu einem bestimmten vergaberechtlichen Aspekt die Meinungen und gibt es auch keine obergerichtliche Rechtsprechung, liegt bereits objektiv kein Verstoß vor.[2]

Ebenso wenig liegt objektiv ein Vergabefehler vor, wenn die für den angeblichen Verstoß relevanten Vorgaben aufgrund des Zuwendungsbescheids überhaupt nicht zu beachten waren (VG Köln vom 3.3.2023 – 16 K 2955/20; vgl. zur Einbeziehung der vergaberechtlichen Regelungen auch Teil 1 der Beitragsreihe).

  1. Widerrufsfrist

Anders als im Rahmen des Kartellvergaberechts, wo Vergabeverstöße mit Abschluss des Vergabeverfahrens regelmäßig nicht mehr angegriffen werden können, droht die Rückforderung aufgrund von Vergaberechtsfehlern teilweise auch noch lange Zeit später.

Hier beträgt die Frist nämlich ein Jahr und beginnt – behördenfreundlich – erst bei vollständiger Kenntnis der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage überhaupt zu laufen. Dass ein Sachverhalt aktenkundig ist, genügt nicht, maßgeblich ist die positive Kenntnis des Amtswalters. Es handelt sich also um eine Entscheidungs-, nicht um eine Bearbeitungsfrist (BVerwG vom 23.1.2019 – 10 C 5.17). Entsprechend gehört bspw. auch die Durchführung und der Abschluss eines Anhörungsverfahrens zur Bearbeitung, dient also der Herstellung von Entscheidungsreife und fällt noch nicht in die Entscheidungsfrist (bspw. OVG Münster vom 15.8.2019 – 15 A 2792/18).

Rechtssicherheit für den Zuwendungsempfänger tritt damit teils erst Jahre, nachdem die geförderte Maßnahme abgeschlossen ist, ein.

  1. Widerruf als Automatismus?

Wurde ein grundsätzlich zum Widerruf berechtigender Vergabefehler erst einmal festgestellt, ist der Widerruf des Zuwendungsbescheid samt Rücknahme gewährter Zuwendungen aber keinesfalls ein Automatismus. Im Gegenteil: Auf Rechtsfolgenseite muss der Zuwendungsgeber sein Ermessen diesbezüglich fehlerfrei ausüben.

Was dies beinhaltet und was dies für Vergaberechtsfehler in ihren unterschiedlichen Facetten letztlich bedeutet, wird in Teil 3 der Beitragsreihe „Zuwendungsrecht und Vergaberecht“ dargestellt.

[1] Sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen einschlägig sind.

[2] Jedenfalls wäre dies aber im Sinne eines „Nichtverschuldens“ im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen; so Fandrey, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, § 9 Die Grundzüge vergaberechtlicher Einflüsse auf das Zuwendungsrecht, Rn. 29; OVG Münster vom 15.8.2019 – 15 A 2792/18.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

Vergaberecht im Gesundheitswesen: Rechtssichere Beschaffung
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Heidelberg | Mi. 26.03.2025 | 08:30

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