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Beitragsreihe: Grundlagen für Bieter – Rechte wahren

Grundlagen für Bieter – Rechte wahren, rechtzeitig rügen, Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzes

Mit diesem Beitrag wird die Artikelreihe zum Vergaberecht aus Bietersicht fortgesetzt. Im Folgenden werden die Voraussetzungen für die wirksame Wahrung der Bieterrechte dargestellt. Wesentlich dafür ist das rechtzeitige Handeln, um den Rechtsschutzanspruch nicht zu verlieren.

Nicht selten haben Bieter das Gefühl, dass Anforderungen der Vergabestelle nicht zum Gegenstand des Verfahrens passen oder intransparent gestaltet sind. Selbstverständlich ist die Bieterfrage eine konstruktive Reaktion auf solche Details der Vergabeunterlagen. Ist die Antwort auf die Bieterfrage nicht befriedigend, gehen Bieter selten einen Schritt weiter und rügen (rechtzeitig).

Die Rüge dient, wie die Bieterfrage, dazu, die Vergabestelle auf rechtliche Bedenken hinzuweisen. „Durch die Rüge soll der Auftraggeber im Sinn einer ,letzten Chance‘ die Möglichkeit bekommen, Rechtsverstöße in einem Verfahrensstadium zu beseitigen, in dem diese noch unkompliziert korrigiert werden können. Es geht darum, Verzögerungen der Auftragsvergabe durch (unnötige) Vergabenachprüfungsverfahren zu vermeiden“ (Ziekow/Völlink/Dicks/Schnabel, 5. Aufl. 2024, GWB § 160 Rn. 37). Viele Bieter scheuen die Rüge, weil sie sich bei der Vergabestelle nicht unbeliebt machen wollen. Die Sorge, dass die Rüge die Chance auf den Zuschlag mindert, schwingt oft mit. Allerdings kann es fatal für den Rechtsschutz des Bieters sein, wenn er von der Rüge absieht. Gerade im frühen Stadium des Verfahrens kann diese Zurückhaltung zum teilweisen Verlust des Rechtsschutzes führen. Rechtzeitiges Handeln im Sinne des Vergaberechts verhindert dies.

  1. Rechtzeitige Rüge

Je nachdem, in welcher Phase des Vergabeverfahrens ein Missverhältnis in den Anforderungen oder eine Intransparenz festgestellt wird, kann Präklusion eintreten. Dieser Begriff steht für eine verspätete Geltendmachung von Verstößen gegen das Vergaberecht, welche dazu führt, dass Rechtsschutz nicht länger gewährt wird. Sein Nachprüfungsantrag ist dann ganz (kein Rügen) oder teilweise (fehlendes Rügen für einige Beanstandungen) unzulässig (BeckOK-VergabeR/Gabriel/Mertens, 31. Ed. 1.11.2023, GWB § 160 Rn. 136). Daher ist es für den Schutz der eigenen Rechtsposition für Bieter wichtig, die Rügefristen und das System des vergaberechtlichen Rechtsschutzes zu verstehen.

Die wesentliche Norm ist hier § 160 GWB. Diese regelt die Voraussetzung für einen zulässigen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer. Voraussetzung ist die rechtzeitige Rüge, wobei die Norm verschiedene Fallgestaltungen unterscheidet und an jede Fallgestaltung eine gesonderte Rügefrist knüpft. Hält der Bieter diese nicht ein, kann er später keinen zulässigen Nachprüfungsantrag mehr stellen; sein Rechtsschutz ist dann verwirkt.

Hier eine Übersicht der relevanten Fristen:

NormFallgestaltungFrist zwecks Beigehaltung des RechtsschutzesBeispiele (nicht abschliessend)
§ 160 Abs. 3 Nr. 1 GWBVergaberechtsverstoß wurde erkanntInnerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen zu rügenBieterinformation lässt Vergaberechtsverstoß erkennen, Änderun-gen der Vergabeunter-lagen führen zum Verstoß
§ 160 Abs. 3 Nr. 2 GWBVerstöße, welche aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sindBis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewer-bung/Angebotsabgabe zu rügenFehlerhafte Kriterien, Frist zu kurz bemes-sen, Anforderungen wettbewerbsbegren-zend
§ 160 Abs. 3 Nr. 3 GWBVerstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Verga-beunterlagen erkenn-bar sindBis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewer-bung/Angebotsabgabe zu rügenZuschlagskriterien intransparent erläu-tert, Bewertungsme-thodik fehlerhaft, Leis-tungsbeschreibung unvollständig

Hinweis: Wenn eine Vorabinformation nach § 134 GWB über das Ergebnis der finalen Auswahlentscheidung versandt wurde, ist die Rüge zeitnah und innerhalb der Wartefrist von zehn Kalendertagen zu erheben. Anderenfalls droht der Zuschlag. Immer wieder kommt es vor, dass die Antwort auf die Rüge nicht vor dem mitgeteilten Zeitpunkt der Zuschlagserteilung beim Bieter eingeht. Dann kann er (zulässig) einen Antrag auf Nachprüfung stellen, ohne die Rügeantwort abzuwarten.

  1. Erkennbarkeit des Verstoßes

Da die Norm in § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB von der Erkennbarkeit des Verstoßes spricht, welche relevant für die rechtzeitige Rügeerhebung ist, kann ein nicht erkennbarer Verstoß auch noch später gerügt werden. Damit will das Vergaberecht Bieter davor bewahren, dass Verhaltensweisen der Vergabestelle, die nicht nach außen erkennbar sind, durch Verstreichen der Frist zum Verlust des Rechtsschutzes führen. Die Rügeobliegenheit wird nur ausgelöst, „…wenn der Antragsteller (Bieter) sowohl über eine feststellbare (…) positive Kenntnis der einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen verfügt, als auch aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat“ (Ziekow/Völlink/Dicks/Schnabel, 5. Aufl. 2024, GWB § 160 Rn. 40). Dafür wird nicht vorausgesetzt, dass Bieter weder die Bestimmungen des GWB, deren Auslegung und die einschlägigen EU-Vergaberichtlinien inklusive richtlinienkonformer Auslegung noch die Rechtsprechung der Nachprüfungsinstanzen kennen und auf einen konkreten Fall juristisch korrekt anwenden können (Ziekow/Völlink/Dicks/Schnabel, 5. Aufl. 2024, GWB § 160 Rn. 44).

Bei der Bewertung der Erkennbarkeit geht die Rechtsprechung von einem individuellen Maßstab aus. Dabei ist es oft schwierig, die Kenntniserlangung beim Bieter zu beurteilen. Nach Aussage des OLG Naumburg liegt Kenntnis von einem Vergabeverstoß im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB aber bereits dann vor, wenn dem Bieter die den Verstoß begründenden Tatsachen bekannt sind und diese Tatsachen bei objektiver Wertung aus der Sicht des Bieters so offensichtlich einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen, dass der Bieter sich dieser Überzeugung schlechterdings nicht verschließen kann (OLG Naumburg, Beschluss vom 14.12.2004 – 1 Verg 17/04, IBR 2005, 170, beck-online). Auch wenn diese Rechtsprechung bieterfreundlich ist, birgt die Unkenntnis der vergaberechtlichen Grundlagen das Risiko in sich, Verstöße gegen eben dieses Vergaberecht nicht zu erkennen.

Bietern ist daher – sofern noch nicht erfolgt – zu empfehlen, sich bezüglich der Grundlagen des Vergaberechts zu schulen. Ergänzend ist es hilfreich, die aktuellen Entwicklungen zu kennen. Update-Schulungen, Vergaberechtskonferenzen usw. werden immer wieder angeboten und helfen, ein besseres Verständnis der bieterschützenden Aspekte des Vergaberechts zu entwickeln. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, relevante Verstöße zu erkennen bzw. ein Gefühl dafür zu entwickeln, an welchem Punkt die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung Sinn machen kann.

  1. Nachprüfungsverfahren und sofortige Beschwerde

Das Nachprüfungsverfahren ist nicht die zwingende Folge der Rüge. Abhängig von der Rügeantwort kann der Bieter entscheiden, ob er die rechtliche Haltung der Vergabestelle akzeptieren kann oder alternativ einen weitergehenden Rechtsschutz in Anspruch nimmt; sofern er nicht im Sinne einer Ultima Ratio seine Beteiligung an dem Ausschreibungsverfahren beendet.

Sollte ein Bieter sich entscheiden, zu rügen und seiner Rüge wird nicht abgeholfen, kann er innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der Rügeantwort einen Nachprüfungsantrag stellen (siehe dazu ergänzend den Hinweis zur Rüge nach Vorabinformationsschreiben unter Punkt 1 „Rechtzeitige Rüge“).

Zuständig für den Rechtsschutz im Vergabeverfahren sind die Vergabekammern, nicht das Amts- oder Landgericht. Es gilt eine besondere Verfahrensordnung gemäß §§ 160 ff GWB. Der Antrag muss begründet werden und enthält neben der Darlegung des geltend gemachten Vergabeverstoßes die Mitteilung, was der Antragsteller begehrt. Dies kann die Änderung der Vergabeunterlagen, der Kriterien, die Wahl einer anderen Verfahrensart, die Wiederholung der Auswertung o.Ä. sein.

Wichtig zu wissen: Die Kosten für einen Anwalt werden nicht automatisch der unterlegenen Partei auferlegt; anders als vor den Gerichten. Voraussetzung dafür, dass die Gegenseite die Kosten im Falle des Erfolges des eigenen Antrags tragen muss, ist die Feststellung der Vergabekammer, dass die Beiziehung des Anwalts notwendig war. Bei einfachen und eindeutigen Sachverhalten kann die Vergabekammer davon absehen. Nur bei komplexen Fragestellungen, einer unklaren Rechtslage aufgrund uneinheitlicher Entscheidungen dazu oder anderen Fällen, die durch einen rechtlichen Laien nicht abschließend bewertet werden können, wird die Notwendigkeit der Beiziehung festgestellt. Der Antrag auf Feststellung sollte Teil des Nachprüfungsantrages sein.

Wenn der Antrag auf Nachprüfung von der Vergabekammer an die Antragsgegnerin, regelmäßig die Vergabestelle, versendet wird, erteilt sie gleichzeitig ein Zuschlagsverbot (§ 169 Abs. 1 GWB). Gemäß dem Beschleunigungsgrundsatz nach § 167 GWB entscheidet die Vergabekammer grundsätzlich innerhalb fünf Wochen. Die Verfahrensbeteiligten sind gehalten, bei der zügigen Erledigung zu unterstützen (§ 169 Abs. 2 GWB). Im Regelfall wird durch das Nachprüfungsverfahren zügig Rechtssicherheit hergestellt. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende der Kammer die Frist im erforderlichen Maß verlängern, wobei diese Fristverlängerung nicht mehr als zwei Wochen umfassen sollte.

Das Ergebnis der Vergabekammer kann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Dafür gilt eine Frist von zwei Wochen innerhalb derer das Zuschlagsverbot zunächst aufrecht erhalten bleibt. Die sofortige Beschwerde wird vor dem zuständigen Oberlandesgericht verhandelt. Danach endet der Rechtsweg.

Teil 1 der Beitragsreihe Grundlagen für Bieter – rechtlicher Rahmen und praktische Hinweise 

Teil 2 der Beitragsreihe Grundlagen für Bieter  – Bieterkommunikation, wesentliches Instrument des Vergabeverfahrens

Teil 3 der Beitragsreihe Grundlagen für Bieter – Eignung und Eignungsanforderungen im Vergabeverfahren

Teil 4 der Beitragsreihe: Grundlagen für Bieter – Angebot gemäß Vorgaben erstellen

von Grit Hömke, Rechtsanwältin/Legal Counsel bei der TenneT TSO GmbH

Vorteile einer Präqualifikation für Unternehmen in Vergabeverfahren
Das PQ-Verfahren – die Präqualifikation als Vorteil nutzen

Das PQ-Verfahren bietet den Unternehmen eine große Anzahl an Vorteilen gegenüber der Erbringung von Einzelnachweisen, es erleichtert den Unternehmen durch Zeiteinsparung und durchgehende Aktualität der Unterlagen die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren.

online | Di. 01.04.2025 | 10:00

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Unternehmen, die regelmäßig an Vergabeverfahren teilnehmen und die Abläufe optmieren wollen.
  • Alle, die ihr Wissen zum Vergaberecht und E-Vergabe in Deutschland erweitern und vertiefen wollen.

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„Unser Antrieb: Ihre Perspektive. Digitalisierung gemeinsam gestalten“ –unter diesem Motto fand am 25. und 26. April 2017 die 24. Informationstagung []
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