Kommunikation in Vergabeverfahren mit DTVP - Bieterfragen strategisch richtig nutzen und rechtliche Rahmenbedingungen
Kommunikation in Vergabeverfahren: Bieterfragen

Beitragsreihe: Grundlagen für Bieter – Bieterkommunikation, wesentliches Instrument des Vergabeverfahrens

Mit diesem Beitrag wird die Artikelreihe zum Vergaberecht aus Bietersicht fortgesetzt. Im Folgenden werden Ziel und Zweck der Bieterkommunikation dargestellt. Sie hat nicht nur die Funktion, Unklarheiten zu beseitigen, sondern ermöglicht es dem Bieter, auch noch im Verfahren auf die Gestaltung der Unterlagen und des Verfahrens Einfluss zu nehmen.

  1. Bieterkommunikation kaum geregelt

Bemerkenswert ist, dass weder das GWB noch die Vergabeverordnungen (VgV, SektVO, KonzVgV, VgVSV, UVgO) den Begriff der Bieterfrage verwenden. Es gibt keine konkrete Regelung, welche die Bieterkommunikation als vergaberechtliches Instrument definiert. Ebenso gibt es keine Regelung dazu, in welchem Zeitrahmen Bieterfragen zu beantworten sind.

Allerdings ist die Bieterfrage als zulässige Form der Aufklärung im Zeitfenster zwischen Bekanntmachung und Zuschlag anerkannt. Hintergrund sind die tragenden vergaberechtlichen Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz, da nur durch das Zulassen von Nachfragen mögliche Verständnisprobleme des Wettbewerbs aufgedeckt werden können. Das Stellen von Bieterfragen legt regelmäßig offen, inwieweit der Markt „mit der Vergabe umgehen kann“, d.h. ob die Vergabestelle die Unterlagen nachbessern sollte. Die Antwort ist jeweils an alle Bieter in gleicher Form und zeitgleich zu übersenden, da nur durch die gleichzeitige Information aller Bieter ein faires Verfahren sichergestellt werden kann. Die Bieterkommunikation ermöglicht der Vergabestelle gleichzeitig, als Reaktion darauf Nachbesserungen vorzunehmen, um optimale Angebote gemäß den Zielvorstellungen der Beschaffung zu erhalten.

  1. Formvorgaben / Kommunikationsweg

Die Form dieses Kommunikationsinstruments richtet sich konsequenter Weise dabei nach den Vorgaben zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (z.B. §§ 9-11 VgV/SektVO).

Das bedeutet, dass Bieterfragen regelmäßig über den Bereich der „Bieterkommunikation“ im Projektraum zur Vergabe zu stellen sind. Eine Einreichung per E-Mail, Fax, Post oder telefonisch ist grundsätzlich nicht zulässig. § 11 Abs. 2 VgV/SektVO: „Der öffentliche Auftraggeber verwendet für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren ausschließlich solche elektronischen Mittel, die die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten.“ (Parallelnormen § 9 Abs. 2 KonzVgV, § 19 Abs. 3 VSVgV). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es sich um rein organisatorische Abstimmungen, z.B. Terminabstimmung im Voraus zu einer finalen Einladung zum Verhandlungsgespräch o.ä. handelt (vgl. § 9 Abs. 2 VgV/SektVO).

  1. Inhalt von Bieterfragen

In der Praxis kommt bei den Unternehmen immer wieder die Frage auf, welche Bieterfragen sollte man stellen? Im Zweifel jede Frage, die bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen und der darauffolgenden Angebotserstellung aufkommt. Bieter sollten schon im eigenen Interesse alle offenen Fragen vor Zuschlag aufklären. Nach dem Zuschlag ist eine Nachverhandlung unzulässig, d.h. der Auftrag muss auf Basis der zur Verfügung gestellten Vergabeunterlagen (insbes. Leistungsbeschreibung, Vertrag, AGB der Vergabestelle) zugeschlagen und durchgeführt werden. Nachträge aufgrund von Klärungsbedarf zu Details der Auftragsausführung sind für beide Seiten mit zusätzlichem Aufwand verbunden und abhängig vom Umfang gegebenenfalls nicht ohne neues Vergabeverfahren zulässig (§ 132 GWB). Klarheit im Verfahren ermöglicht dem Bieter zudem eine erhöhte Chance, ein wettbewerbliches Angebot mit nur reduzierten Risikoaufschlägen oder ggfls. ohne solche Aufschläge abgeben zu können.

Bieter sollten sich vor Augen halten, dass die Offenlegung von Intransparenz, Lücken oder Widersprüchen in den Vergabeunterlagen es der Vergabestelle erst ermöglicht, nachzubessern. Davon können beide Seiten profitieren. Nicht selten übersehen Vergabestellen für den Wettbewerb wichtige Aspekte, da sie den Markt und dessen aktuelle Entwicklungen selten so gut kennen wie die Bieter selbst. Daher kann es oft auch sinnvoll sein, die Bieterfragen mit Erläuterungen zur Intention hinter der Frage zu kombinieren; oder auch Hinweise zu aktuellen Marktentwicklungen zu kommunizieren.

  1. Reaktion der Vergabestelle – inhaltlich

Es bleibt der Vergabestelle überlassen, inwieweit sie die Information und Hinweise aus der Bieterkommunikation aufgreift, um Unterlagen anzupassen oder zu ergänzen. Je nach Grad der Anpassung kann damit eine Verlängerung der Abgabefrist oder die Rückversetzung zu einem vorhergehenden Verfahrensabschnitt verbunden sein. Dem Bieter bleibt dabei die Chance auf den Zuschlag erhalten, da er weiter Beteiligter im Verfahren ist. In einzelnen Fällen führen Bieterfragen auch zur Aufhebung der Ausschreibung, wenn der Vergabestelle klar wird, dass sie für ein passendes Angebot die Vergabeunterlagen wesentlich überarbeiten muss. Auch das stellt keinen Verlust der Chance auf den Auftrag dar. Vielmehr ist die Vergabestelle in diesen Fällen gehalten, mitzuteilen, ob sie an der Beschaffungsabsicht festhält, d.h. ein neues Verfahren einleiten wird. Trifft dies zu, kann der Bieter gezielt sein Ausschreibungsmonitoring darauf anpassen.

  1. Reaktion der Vergabestelle – zeitlich

Die Schnelligkeit, mit der eine Vergabestelle eingegangene Bieterfragen beantwortet, kann je nach Auftragsgegenstand und Komplexität der Angebotserstellung für die Bieter von großer Bedeutung sein. Das betrifft nicht nur die selbst gestellten Fragen, sondern auch die Fragen anderer am Verfahren beteiligter Bieter. Von den Fragen der Mitbieter erfährt der Bieter erst durch die Beantwortung der Fragen (Bieterinformation) gegenüber allen Bietern. Enthalten die Antworten Klarstellungen, Ergänzungen oder Änderungen der bisher bekannten Vorgaben und Bedingungen für die Angebotserstellung, muss der Bieter dies in seine individuelle Angebotserstellung nach Erhalt der Information und rechtzeitig vor Ablauf der Abgabefrist einarbeiten. Dies hat der Gesetzgeber gesehen. Es gilt daher in den Vergabeordnungen die Vorgabe, dass Fristen angemessen zu verlängern sind, wenn den Bietern Informationen für die Angebotserstellung weniger als sechs Kalendertage vor Abgabefrist zugehen (vgl. § 21 Abs. 3 Nr. 1 VgV, § 16 Abs. 3 Nr. 1 SektVO, § 20 Abs. 5 VSVgV).

Kommt es im Verfahren zu einer solchen Situation und die Frist wurde nicht verlängert, sollte der Bieter umgehend einen Hinweis erteilen, falls dies in zeitlicher Hinsicht für ihn ein Problem darstellt. Mit Blick auf die Pflicht der Vergabestelle, die Frist angemessen zu verlängern, bietet sich eine klare Mitteilung zur Länge der benötigten Frist und die Begründung für die gewünschte Fristverlängerung an. Die Vergabestelle darf diese Informationen bei der Entscheidung über die Fristverlängerung nicht ignorieren. Und auch hier gilt, dass der Vergabestelle die Auswirkungen ihres Handelns, mangels ausreichender Detailkenntnis des Marktes, nicht klar sind.

  1. Wann sollten Bieterfragen gestellt werden?

Kurz und bündig: so früh wie möglich. Je früher die Vergabestelle Bieterfragen erhält, desto früher wird eine Bieterkommunikation veröffentlicht. Kurz vor Abgabefrist gestellte Fragen bergen das Risiko in sich, dass dem Bieter die „Zeit wegläuft“.
Es gibt keine verordnungsrechtliche Vorgabe für Vergabestellen, innerhalb welchen Zeitfensters Bieterfragen beantwortet werden müssen. Aus Gründen der Praktikabilität sammeln manche Vergabestellen erst einige Tage, bevor eine Bieterinformation veröffentlicht wird.

  1. Keine Nachteile im Verfahren, auch nicht bei vielen Fragen

Die Befürchtung mancher Unternehmen, dass man durch viele Bieterfragen die Vergabestelle „nerven“ und damit die Chancen auf den Zuschlag verschlechtern würde, ist in der Praxis oft unnötig. Gleichwohl bietet sich ein höflicher Umgang und sachlicher Ton auch bei offensichtlichen Fehlern in den Unterlagen an. Eine Verschlechterung der Rechtsposition, aufgrund von vielen oder kleinteiligen Bieterfragen, ist nicht zulässig. Die Vergabestelle muss das obsiegende Angebot anhand der zuvor mitgeteilten Kriterien auswählen und dies auch begründen. Wie mit der Situation umzugehen ist, wenn die Vergabestelle weitere Erwägungen einfließen lässt oder gar nicht auf Bieterfragen reagiert, wird in Teil 5 der Reihe erläutert. Dieser beschäftigt sich mit dem Rechtsschutz.

Teil 1 der Beitragsreihe Grundlagen für Bieter – rechtlicher Rahmen und praktische Hinweise 

von Grit Hömke, Rechtsanwältin/Legal Counsel bei der TenneT TSO GmbH

Kommunikation in Vergabeverfahren mit DTVP - Bieterfragen strategisch richtig nutzen und rechtliche Rahmenbedingungen
Kommunikation in Vergabeverfahren: Bieterfragen

Die richtige Kommunikation mit öffentlichen Auftraggebern (Vergabestellen), insbesondere die zielgerichtete und erfolgsorientierte Kommunikation in einem Vergabeverfahren, wird von Unternehmen (Bietern) vielfach unterschätzt. Dabei sind Vergabeunterlagen häufig wirklich unverständlich, ungewollt lückenhaft oder individuell auslegungsbedürftig.

online | Di. 30.04.2024 | 13:30

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Unternehmen, die regelmäßig an Vergabeverfahren teilnehmen und die Kommunikation mit den Vergabestellen optimieren wollen.
  • Alle, die ihr Wissen zum Vergaberecht und E-Vergabe in Deutschland erweitern und vertiefen wollen.

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