Beitragsreihe: Grundlagen für Bieter – rechtlicher Rahmen und praktische Hinweise
Der folgende Beitrag ist der erste einer Reihe von fünf Beiträgen zu den wesentlichen Grundlagen, mit denen sich Unternehmen beschäftigen sollten, die an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen. Dafür ist nicht nur der rechtliche Rahmen relevant, sondern auch die Art und Weise, wie er genutzt wird. Es gibt für Bieter in allen Stadien der öffentlichen Beschaffung Möglichkeiten, auf das Verfahren einzuwirken und durch eine aktive Auseinandersetzung mit den Verfahrensvorgaben die eigenen Chancen auf den Zuschlag zu erhöhen.
Teil 1: Teilnahme am Verfahren
Bevor sich ein Unternehmen an einem Verfahren beteiligt, bedarf es der Kenntnis von konkreten Ausschreibungen. Und das Unternehmen muss auf sein bestehendes Interesse aufmerksam machen, um im Verfahren effektiv teilnehmen zu können.
- Öffentliche Aufträge finden, die zum Unternehmen passen
Es gibt verschiedene Wege, über die ein Unternehmen die für sich passenden öffentlichen Aufträge finden kann. Neben Datenbanken sind auch der persönliche Kontakt und der Austausch vor der Bekanntmachung in einem bestimmten Rahmen eine zulässige Möglichkeit, frühzeitig von der Planung interessanter Aufträge zu erfahren.
- Nutzung von Datenbanken
Die übliche Vorgehensweise, um potenziell interessante öffentliche Aufträge zu finden, ist das Durchforsten der öffentlichen Ausschreibungsdatenbanken. Aufgrund der Regelung der E-Vergabe bieten öffentlichen Ausschreibungsdatenbanken die Möglichkeit, die komplette Anfrage mit Kontaktaufnahme, Angebot, Auswertung und Vergabe abzubilden. Es gibt eine Vielzahl von solchen Datenbanken, sowohl für eine bundesweite wie auch für eine landesspezifische Suche.
Öffentliche Ausschreibungsdatenbanken bieten regelmäßig an, auf neue, für das Unternehmen interessante Aufträge per E-Mail hinzuweisen. Solche Funktionen setzen voraus, dass die für die Suche angegebenen Kategorien von den öffentlichen Auftraggebern bei der Veröffentlichung ihrer Auftragsbekanntmachung stimmig genutzt werden. Da die Kategorisierung naturgemäß nicht alle denkbaren Beschaffungskonstellationen optimal abbildet, passt die Einordnung nicht immer. Die Suche über eine Mehrzahl in Frage kommender Kategorien ist daher sinnvoll.
- Markterkundung
Vor der Veröffentlichung ist der Kontakt zwischen öffentlichen Auftraggebern und potenziellen Auftragnehmern zu konkreten Beschaffungsprojekten im Rahmen der Markterkundung ebenfalls zulässig. Sie ist seit 2016 ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehen (vgl. § 28 VgV, § 26 SektVO, § 20 UVgO). Dabei unterliegt die Markterkundung keinen bestimmten Verfahrensanforderungen. Sie kann durch den öffentlichen Auftraggeber in unterschiedlicher Weise gestaltet werden. Denkbar ist der Austausch mit Unternehmen auf einer Messe, der Besuch von Vorträgen, die einfache Internetrecherche, aber auch der konkrete Austausch mit potenziellen Auftragnehmern zum geplanten Beschaffungsvorgang.
Das mit der Beschaffung beauftragte Personal kennt in manchen Märkten die tatsächlich zur Verfügung stehenden Lösungen nicht. Dies gilt vor allem für solche Produkte und Dienstleistungen, die nicht regelmäßig, sondern nur alle paar Jahre oder erstmalig beschafft werden. Dann ist ein direkter Informationsaustausch mit den Marktakteuren wichtig.
Dies bietet sich insbesondere für die Beschaffung von Technik oder technischen Dienstleistungen an. Der wirtschaftlich nachhaltige Einkauf in diesem Bereich wird gefördert, wenn die zuständigen Beschaffer die Entwicklungen am Markt kennen. Ebenso gilt dies sicher auch für den Bereich der Berücksichtigung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. In diesem Bereich entwickelt sich der Markt sehr dynamisch.
Nicht zulässig ist dabei die Abfrage konkreter Preisangebote (vgl. § 28 Abs. 2 VgV, § 26 Abs. 2 SektVO, § 20 Abs. 2 UVgO) oder die Ausarbeitung der Beschaffungsbedingungen mit einem Unternehmen, das sich im zukünftigen Verfahren beteiligen möchte.
- Registrierung
Ist eine interessante öffentliche Ausschreibung identifiziert und die Entscheidung für die Beteiligung am Verfahren gefallen, sollte sich das Unternehmen zur Vergabe registrieren. Nur dann erhält es im Falle von Änderungen der Vergabeunterlagen, der Fristen oder im Fall der Bereitstellung von Bieterinformationen einen Hinweis per E-Mail. Da diese Informationen von hoher Relevanz für die Angebotserstellung sein können, ist die Registrierung zu empfehlen.
Der öffentliche Auftraggeber kann dann sehen, welche Unternehmen sich für das Verfahren interessieren. Das kann von Vorteil sein, selbst wenn das Unternehmen sich am Ende gegen die Abgabe eines Angebotes entschließt. Sollte ein Verfahren ergebnislos verlaufen und ein Verfahren mit beschränktem Teilnehmerkreis folgen, greift der Beschaffer für Folgeverfahren oft auf die Liste der über die Registrierung im Projektraum bekannten Interessenten zurück.
- Zeit- und Kapazitätenplanung
Zu der ausgewählten Ausschreibung sollten die relevanten Fristen notiert und in der Folge überwacht werden. Dabei sind relevant:
- Frist für Bieterfragen
- Angebotsfrist
- Bindefrist (falls vorgegeben)
Passend zu den Fristen sollte ein Abgleich der Personalkapazitäten erfolgen. Ist eine der Personen, die mit der Angebotserstellung befasst sind, zu einem dieser Zeitpunkte im Urlaub? Gibt es Stellvertreterregelungen? Und vor allem ist zu regeln, dass die lückenlose Überwachung der E-Mail-Benachrichtigungen zum Projektraum der Ausschreibung gewährleistet ist. Das gilt auch für den Zeitpunkt nach der Angebotsabgabe. Denn es könnten vom Auftraggeber noch Aufklärungsfragen gestellt werden oder fehlende Informationen bzw. Unterlagen nachgefordert werden.
Werden Fristen durch den Auftraggeber im Laufe des Verfahrens geändert, ist die Planung beim Unternehmen anzupassen. Das Versäumen von Fristen im Verfahren kann erhebliche nachteilige Folgen bis hin zum Ausschluss haben. Daher sollte es unbedingt vermieden werden.
Dann kann es losgehen mit der Bewerbung. Zur Prüfung der Unterlagen und den Möglichkeiten, aktiv auf Anpassungen einzuwirken, im kommenden zweiten Teil dieser Beitragsreihe.
von Rechtsanwältin Grit Hömke, Counsel bei BBH Köln
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