Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte
oder: wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen.
So lässt sich eine kürzlich von der VK Bund (Beschluss vom 11.11.2020, VK 1 – 84/20) ergangene Entscheidung zusammenfassen.
Im ihr vorliegenden Fall wollte die Vergabestelle eine Software beschaffen, die „intuitiv“ und ohne besondere technische und fachliche Vorkenntnisse von den künftigen Nutzern verwendet werden kann. Um dieses Zuschlagskriterium beurteilen zu können, sollten Bieter diese Eigenschaft schriftlich beschreiben. Ein Bieter bemängelte, dass das genannte Zuschlagskriterium nicht anhand von schriftlichen Erläuterungen, sondern nur im Rahmen eines „Usability Testings“ beurteilt werden könne.
In der Tat sieht dies die Vergabekammer ebenso:
Zwar ist der öffentliche Auftraggeber in der Art und Weise, nach welcher Methode er bei der Bewertung der Angebote vorgeht oder was für Mittel er hierbei einsetzt, weitestgehend frei. Grundsätzlich gilt dies auch in Hinblick darauf, ob der Auftraggeber die angebotenen Leistungen praktisch daraufhin testen möchte, ob diese die vorgegebenen Anforderungen erfüllen. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass die Angebotswertung transparent, willkürfrei und nachvollziehbar durchgeführt wird.
Die Freiheit auf „praktische Machbarkeitstests“ zu verzichten, findet ihre Grenze aber dort, wo ohne diese Tests eine transparente Wertung aufgrund sachgerechter und willkürfreier Erwägungen nicht gewährleistet ist. Mit anderen Worten muss dort eine sog. „verifizierende Teststellung“ durchgeführt werden, wo die „Einhaltung“ des betroffenen Zuschlagskriteriums nur anhand eigener tatsächlicher Anschauung festgestellt werden kann. Da die Beurteilung anhand eines solchen Kriteriums, – wie „intuitive“ Handhabung – naturgemäß stark von subjektiven Eindrücken und Erfahrungen beim konkreten Umgang mit einer Software geprägt ist, reichen schriftliche Erläuterungen höchstens, um einen ersten Eindruck zu vermitteln, nicht aber zur tatsächlichen Beurteilung der Anforderung.
Auf einem ganz anderen Blatt steht freilich, wie eine solche verifizierende Teststellung vergaberechtskonform auszugestalten wäre. Zu gewährleisten ist jedenfalls eine den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung gerecht werdende Ausgestaltung der Teststellung. Fließt die Bewertung der Teststellung nach den Zuschlagskriterien in die Angebotswertung ein, müssen die zur Testung vorgesehenen Parameter vorab allen Bietern bekannt gemacht werden. Das Bewertungssystem muss seinerseits eine willkürliche Wertung ausschließen und die Vergleichbarkeit der Angebote sicherstellen können, um einen wirksamen Wettbewerb zu garantieren.
Diesen Anforderungen an eine vergaberechtskonforme Teststellung gerecht zu werden, dürfte für öffentliche Auftraggeber im Fall der Überprüfung des sehr subjektiven Zuschlagskriteriums der „intuitiven Bedienbarkeit“ nicht ganz einfach sein. Sollen Aspekte mit stark subjektivem Einschlag überprüft werden, ist entsprechend in besonderem Maße auf die transparente und diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Testungsparameter zu achten.
Um den stark subjektiven Einschlag abzumildern, könnte bspw. ein größerer Personenkreis die Teststellung durchführen, um so individuelle und subjektive Einschätzungen durch ihre Vielzahl zu objektivieren.
von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht
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