Notlösung: Interimsvergaben

Es ist schon ärgerlich, wenn sich herausstellt, dass der Auftragnehmer nicht liefert wie gewünscht. Noch schlimmer, wenn der Vertrag tatsächlich beendet werden muss. Dann steht nicht nur die Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit der Beendigung an, sondern es muss auch noch eine neue Ausschreibung durchgeführt werden. Eine neue Ausschreibung bedeutet aber Zeit und Arbeit.

Und wer erbringt zwischenzeitlich die Leistungen? Wie kann ein Auftraggeber in so einem Fall übergangsweise schnell für Ersatz sorgen, und worauf ist dabei zu achten?

Verfahrensart

Zur Überbrückung können öffentliche Auftraggeber Interimsvergaben durchführen. Aber auch solche „Überbrückungsvergaben“ müssen sich ihrerseits in die bekannten Verfahrensarten einordnen. Regelmäßig werden Auftraggeber auf Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen „Dringlichkeit“ nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV bzw. § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO zurückgreifen können.

Auftragswert

Sofern der Interimsauftrag nicht ausnahmsweise ganz oder teilweise an die Stelle des „Hauptauftrags“ tritt, handelt es sich bei einem Interimsauftrag um einen selbständigen, zusätzlichen Auftrag, dessen Auftragswert eigenständig zu ermitteln ist (OLG Koblenz, B. v. 24.03.2015, Verg 1/15).

Voraussetzungen der Interimsvergabe

Im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb darf der Auftraggeber vergeben, wenn:

  • äußerst/besonders dringliche, zwingende Gründe nicht zugelassen,
  • die Mindestfristen für „förmliche“ Verfahren einzuhalten und
  • die Umstände zur Begründung dieser Dringlichkeit dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sind.

Diese Voraussetzungen bejahte die VK Niedersachsen (Beschl. v. 21.7.2023, VgK-16/2023) kürzlich beispielsweise in einem Fall nicht vorhersehbarer dauerhafter und massiver Funktionsstörungen einer Kfz-Zulassungssoftware bei der Datenmigration, die letztlich zur Kündigung des Vertrags führte.

Und was passiert, wenn der Auftraggeber doch selbst für die Umstände verantwortlich ist, die zur Notwendigkeit einer Dringlichkeitsvergabe führen – wenn er es zum Beispiel versäumt hat, ein „förmliches“ Vergabeverfahren rechtzeitig einzuleiten?

Grundsätzlich ist dann eine „Dringlichkeitsvergabe“ nicht zulässig. In Bereichen der (unmittelbaren) Daseinsvorsorge werden allerdings von diesem Grundsatz zu Gunsten der Versorgungssicherheit Ausnahmen gemacht (vergleiche beispielsweise BayObLG, Beschl. v. 31.10.2022, Verg 13/22).

Mini-Wettbewerb?

Auch im Rahmen der Dringlichkeitsvergabe ist grundsätzlich so viel Wettbewerb wie möglich zu schaffen. In der Regel sind dabei (mindestens) drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern (vergleiche dazu OLG Rostock, Beschl. v. 11.11.2021, 17 Verg 4/21).

Ausnahmsweise kann sich aber aus den Umständen der Dringlichkeit die Beschränkung des Wettbewerbs auf nur ein Unternehmen ergeben. Dies hat die VK Niedersachsen aaO. für den Fall anerkannt, dass sich im vorangegangenen Verfahren nur zwei Unternehmen beteiligt hatten, von denen das eine, das den Auftrag erhalten hatte, für die zur Kündigung führenden Gründe verantwortlich war.

Im Unterschwellenbereich ist die Beschränkung auf ein Unternehmen – jedenfalls nach Meinung des Verfassers – vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts des § 12 Abs. 3 UVgO in jedem Fall zulässig.

Laufzeit einer Interimsvergabe

Eine Interimsvergabe ist ferner auf den unbedingt notwendigen Zeitraum zu begrenzen, der für die Durchführung eines vergaberechtsgemäßen förmlichen Vergabeverfahrens benötigt wird. Als Faustformel gilt: „So lang wie notwendig, so kurz wie möglich.“

Laufzeiten von drei bis sechs Monaten bis hin zu einem Jahr werden regelmäßig von der Rechtsprechung als verhältnismäßig anerkannt. Eine Laufzeit von 24 Monaten hielt die VK Niedersachsen (aaO.) jedoch für unzulässig lang.

Sofern nicht zuverlässig prognostiziert werden kann, wie lange überbrückt werden muss, kann eine vertraglich verankerte Verlängerungsautomatik geeignet sein, die Laufzeit flexibler auszugestalten. (BayObLG, aaO.)

Fazit:

Wenn es pressiert, kann der Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen auch einmal (sehr) schnell beschaffen. Unter Umständen kann er sich dann sogar direkt (nur) an ein bestimmtes Unternehmen wenden. Grundsätzlich ist aber darauf zu achten, dass auch bei „Überbrückungsvergaben“ der Wettbewerb nur so stark eingeschränkt werden darf, wie notwendig. Dies gilt sowohl in Bezug auf die „Teilnehmer“, als auch bezüglich der Dauer des Auftrags. Und: dokumentieren nicht vergessen!

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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online | Fr. 12.09.2025 | 13:00

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