Update Vergaberecht: Zuschlagskriterien und Wertung
Die Ausbildung der Zuschlagskriterien, deren Bekanntgabe, wie auch die konkrete Angebotswertung anhand der Kriterien stellen stets eine Herausforderung für Vergabestellen dar. Dies zeigen einmal mehr einige Entscheidungen der vergangenen beiden Monate, die im Weiteren kurz dargestellt werden sollen.
Der Vergabesenat des OLG Frankfurt/M. bestätigt in seiner Entscheidung vom 12.04.2022, dass nicht nur Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung (§ 127 Abs. 5 GWB) bekanntzumachen sind. Vor dem Hintergrund des Transparenzgrundsatzes sind daneben auch bereits aufgestellte Unter- und Unter-Unterkriterien und deren Gewichtung bekanntzumachen. Unterkriterien sind dabei solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.04.2022, 11 Verg 11/21).
Die zweite Vergabekammer des Bundes hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob das schlichte Einhalten von „Grundanforderungen“ eine Bewertung mit 0 Punkten rechtfertig. „Ja“ lautet die Antwort. Eine bessere Bewertung als mit 0 Punkten sei nur gerechtfertigt, wenn die angebotene Leistung über die „Grundanforderungen“ hinausgeht. Werden die „Grundanforderungen“ hingegen unterschritten, wäre dies als eine Abweichung von den Vergabeunterlagen zu werten und müsste zum Angebotsausschluss führen (VK Bund, Beschluss vom 02.05.2022, VK 2-30/22). Dabei sei es nicht erforderlich, die „Grundanforderungen“ konkret zu definieren. Der Begriff „Grundanforderung“ ist ohne Weiteres dahingehend zu verstehen, was aus Sicht eines fachkundigen Bieters als Mindestmaß an Leistung gefordert ist, um sämtliche in den Vergabeunterlagen und von Gesetzes wegen zwingend geforderten Maßstäbe einzuhalten.
In einer weiteren Entscheidung der VK Bund (Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22) hebt die zweite Kammer hervor, dass den Bietern bei der Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs bewusst ein kreativer Freiraum eröffnet wird. Zur Gewährleistung dennoch vergleichbarer Angebote bedarf es jedoch hinreichend konkreter Zielsetzungen, die vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung vorzusehen sind und die bei der Angebotswertung im Rahmen einer Gesamtschau der Zuschlagskriterien und der übrigen Vergabeunterlagen zu berücksichtigen sind.
Das Wertungssystem bzw. die Vorgabe, unter welchen konkreten Bedingungen ein Konzept mit welcher Note zu bewerten ist, ist dabei systemimmanent nicht abschließend bestimmbar. Aufgrund dieser systemimmanenten Offenheit ist eine relativ vergleichende, gleichmäßige Bewertung der von den Bietern eingereichten Konzepte nach den bekanntgemachten Bewertungsmaßstäben geboten.
Voraussetzung für eine solche Konzeptbewertung ist aber, dass die Bieter anhand der Vorgaben der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, erkennen können, worauf der jeweilige Auftraggeber Wert legt.
Abschließend sei noch eine Entscheidung der VK Berlin erwähnt (Beschluss vom 14.03.2022, VK B 2-40/21). Danach ist der Auftraggeber zwar nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe qualifizierter Dritter zu bedienen. Allerdings ist es nicht zulässig, die Verantwortung für die Vergabe vollständig auf Dritte zu übertragen. Die Regelungen des Vergaberechts verpflichten unmissverständlich den Antragsgegner selbst zu einer Wertungsentscheidung. Dies muss die Vergabeakte auch erkennen lassen
von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht
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