Per E-Mail oder nicht per E-Mail
Per E-Mail oder nicht per E-Mail – das war die Frage!
Wieder einmal war die Missachtung von Formvorgaben Gegenstand der Rechtsprechung. Diesmal musste sich das OLG Frankfurt (Beschluss vom 18. Februar 2020, 11 Verg 7/19) mit der Frage auseinandersetzen, ob ein einmal in „falscher“ (unverschlüsselter) Form übermitteltes Angebot ein weiteres, form- und fristgerecht eingereichtes Angebot „infiziert“.
Der Vergabesenat kommt dabei zu dem Ergebnis: nicht in jedem Fall.
Ein Bieter reichte sein Angebot zunächst unverschlüsselt per Mail ein. Nach den Vorgaben der Auftragsbekanntmachung waren die Angebote allerdings elektronisch über die Vergabeplattform einzureichen. Auf entsprechenden Hinweis reichte der Bieter sein Angebot form- und fristgerecht über die Vergabeplattform ein. Der Auftraggeber wollte gleichwohl beide Angebote ausschließen, da das erste, per Mail eingereichte Angebot nicht der vorgegebenen, verschlüsselten Form entsprach, das zweite, verschlüsselt übermittelte Angebot dadurch „infiziert“ worden sei.
Der Vergabesenat kommt zu einem anderen Ergebnis. Hinsichtlich des zweiten Angebots bestünden keine Ausschlussgründe nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 53 VgV. Das formwidrige erste Angebot könne zwar nicht durch Einreichung eines weiteren, formgerechten Angebots geheilt werden. Das zweite Angebot sei aber seinerseits nicht durch das erste formfehlerhafte Angebot „infiziert“.
Der Geheimwettbewerb, also die Sicherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs, sei im konkreten Fall nicht in einer Weise gefährdet, die den Angebotsausschluss des zweiten Angebots rechtfertigen könnte. Es läge allenfalls eine rein abstrakte Gefährdung vor, da hier eine vorfristige Kenntnisnahme des ersten, formwidrigen, unverschlüsselten Angebots nicht ansatzweise wahrscheinlich war. Ein Angebotsausschluss aufgrund einer bloßen abstrakten Gefahr sei jedoch unverhältnismäßig.
Im Einzelfall mag also ein formgerechtes, verschlüsseltes Angebot nicht durch ein vorangehendes, formwidriges, nicht verschlüsseltes Angebot „infiziert“ werden. Dies zu verallgemeinern, wäre allerdings riskant. Zum einen wird man dies nur im VgV-Bereich überhaupt argumentieren können. Im Bereich der VOB/A ist der Wortlaut des § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 Sätze 3 und 4 VOB/A insoweit eindeutig, der explizit ein Verschlüsselungserfordernis bis zur Angebotsöffnung enthält. Zum anderen handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.
Für Bieter gilt nach wie vor in besonderem Maße, die geltenden Vorgaben genau einzuhalten. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten sich Bieter bei Problemen und Unklarheiten entsprechend mit der Vergabestelle in Verbindung setzen, um keinen Angebotsausschluss zu riskieren.
von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht
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