Hamburger Vergabepreis geht an den NDR
Der diesjährige Hamburger Vergabepreis ging an den Norddeutschen Rundfunk (NDR), der im Bereich der E-Vergabe auf das Deutsche Vergabeportal setzt. Anlässlich der Preisverleihung haben wir Frau Manuela Haddadzadeh, Leiterin der Abteilung Einkauf & Logistik, zum Einkauf beim NDR aber auch zur Einführung der E-Vergabe interviewt.
DTVP/cosinex: Sehr geehrte Frau Haddadzadeh, zunächst unseren herzlichen Glückwunsch zum Hamburger Vergabepreis 2018. Der Preis wurde dem NDR für herausragende Beschaffungsprojekte verliehen. Sind diese Beschaffungsprojekte bereits digital abgewickelt worden?
NDR: Herzlichen Dank für die Glückwünsche. Wir, der gesamt NDR-Einkauf und ich, waren sehr überrascht und gleichzeitig erfreut darüber, insbesondere da wir uns auf den Preis nicht beworben haben. Nach meiner Kenntnis geht der Preis auf viele Projekte und gebündelte Vergaben zurück, die der NDR auch als Federführer für die ARD-Rundfunkanstalten getätigt hat, insbesondere auf dem Sektor Programmverbreitung. Dieser Sektor ist seit der Vergaberechtsreform im April 2017 ausschreibungspflichtig geworden, da die Rundfunkprivilegierung auf einem Teil dieser Leistungen entfallen ist. Diese Vergaben hatten wir noch nicht digital abgewickelt.
DTVP/cosinex: Sehr geehrte Frau Haddadzadeh, an anderer Stelle erwähnten Sie, dass eine der größeren Herausforderungen neben dem Thema Bedarfsbündelung die Organisation der EU-weiten Ausschreibungen darstellte. An den rechtlichen Herausforderungen und Rechtsschutzmöglichkeiten ändert natürlich auch die E-Vergabe nichts. Wie hat der NDR die Durchführung von Vergabeverfahren organisiert, zentral oder dezentral? Können Sie uns etwas über Ihre Organisation im Hinblick auf die Strukturen im Bereich der Vergabe verraten?
NDR: In der Tat war die Organisation und Bündelung der Bedarfe die größte Herausforderung. Dies galt nicht nur für den NDR, sondern für die gesamte ARD. Dazu muss ich jedoch ein wenig ausholen. Die ARD ist eine Arbeitsgemeinschaft rechtlich selbstständiger Landesrundfunkanstalten. Ihre Mitglieder sind Bayerischer Rundfunk (BR), Hessischer Rundfunk (HR), Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), Norddeutscher Rundfunk (NDR), Radio Bremen (RB), Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB), Saarländischer Rundfunk (SR), Südwestrundfunk (SWR) und Westdeutscher Rundfunk (WDR) sowie dem Auslandsrundfunk Deutsche Welle (DW). Daneben gibt es noch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) sowie das von ARD und ZDF gemeinsam getragene Deutschlandradio (DRadio). Diese öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wurden qua EuGH-Urteil vom Dezember 2007 zu öffentlichen Auftraggebern erklärt und damit zur strikten Anwendung des Vergaberechts verpflichtet. Der Umstellungsprozess in den einzelnen Häusern war sehr groß, für den NDR als Vier-Länder-Sender (Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) auch. In Hamburg ist die zentrale Vergabestelle des NDR angesiedelt, in den drei Landesfunkhäusern in Hannover, Kiel und Schwerin existieren kleinere Beschaffungseinheiten. Wir mussten, mehr als vorher bereits geschehen, die gleichartigen Leistungen in allen vier Ländern bündeln und über die Zentrale Vergabestelle europaweite Ausschreibungen vornehmen.
Desweiteren werden viele Bedarfe von sogenannten Lead Buyer für mehrere oder alle Rundfunkanstalten in gemeinsamen bzw. kooperativen Vergabeverfahren zusammengefasst. Die Lead Buyerschaften werden zurzeit verstärkt vorangetrieben und ausgebaut. Dies war bzw. ist ein Prozess über mehrere Jahre. Außerdem entstanden für den NDR noch weitere Kooperationen. So übernimmt der NDR die europaweiten Ausschreibungen für Radio Bremen und seit einigen Jahren ist der NDR der Kooperationspartner bei Deutschlandradio. Hier wickeln wir alle Vergaben ab einem Wert von ca. 100 T€ für die beiden Standorte in Köln und Berlin auch mit ab.
DTVP/cosinex: Würden Sie sagen, dass die vollelektronische Abwicklung die Verfahren gerade in so einer Phase vereinfacht?
NDR: Wir haben das Deutsche Vergabeportal (DTVP) im NDR eingeführt. Die Einführung wurde von meiner Systemkoordinatorin für Beschaffungssysteme, Frau Susanne Hupe, behutsam und in Etappen begleitet. Das System ist weitestgehend selbsterklärend und hat eine sehr anwenderfreundliche Oberfläche. Zuerst hat die Hamburger Vergabestelle begonnen, über das DTVP europaweite Ausschreibungen abzuwickeln. In einem zweiten Schritt wurde, ebenfalls nach einem Workshop, das komplette Vergabemanagementsystem von zwei Einkäufern pilotiert. Begleitend zum Piloten haben wir intern einheitliche Regeln und Vorgehensweisen erstellt. Danach können alle Einkäufer für alle Warengruppen das System nutzen. Die sogenannten Junior-Einkäufer (operativer Einkauf) werden demnächst für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte das System nutzen. Die Kolleginnen und Kollegen der Landesfunkhäuser des NDR sind dann in einem nächsten Schritt dran. Für uns als Vergabestelle hat die Nutzung insbesondere von DTVP zu u.a. einem verringerten administrativen Aufwand geführt, es erhöht die Transparenz bei Bieterfragen und hat ein insgesamt übersichtlicheres Handling bezüglich der kompletten Vergabeakte zur Folge.
DTVP/cosinex: Wie ist Ihre Erfahrung hinsichtlich der Akzeptanz bei Ihrem doch teilweise sehr spezialisierten Kreis an Bietern?
NDR: Die Akzeptanz ist groß. Wichtig war uns bei der Auswahl eines E-Vergabesystems, dass sowohl für die eigenen Mitarbeiter als auch für mögliche Bieter das System so weit wie möglich bedienerfreundlich ist. Außerdem war ein wichtiges Kriterium, dass das System kostenfrei für interessierte Unternehmen und Bieter ist. Nichts ist schlimmer, als aufgrund von Systemschwierigkeiten oder zu hohen Hürden keine Angebote zu erhalten.
Wir haben das DTVP-System auf die Homepage des NDR verlinkt. Außerdem haben wir für unsere Bieter und Lieferanten einen FAQ für Ausschreibungen via Vergabeportal erstellt, der in regelmäßigen Abständen ergänzt und aktualisiert wird. Dass darüber hinaus nicht nur wir, sondern auch die Bieter durch den Support bei cosinex zeitnah unterstützt werden, entlastet uns als Vergabestelle von technischen Rückfragen unserer Bieter.
DTVP/cosinex: Für viele Vergabestellen stellen gerade die initialen Anforderungen an eine E-Vergabelösung die relevante Herausforderung dar. Welche Aspekte bzw. Ziele, die Sie mit der Einführung von DTVP verknüpft haben, standen für Sie im Vordergrund?
NDR: Der Auslöser für die Einführung eines e-Vergabesystems für den NDR war, neben den gesetzlichen Vorgaben, dass mehrere ARD-Landesrundfunkanstalten bereits ein System genutzt hatten. Der NDR hatte diese Erfahrungen abgewartet und sich dann für ein anderes System entschieden. Die Vorteile eines elektronischen Vergabesystems sind eindeutig die Vereinheitlichung von und die Transparenz über Vergabeverfahren. Daneben erhoffe ich mir natürlich nachhaltige Prozesseinsparungen, die von den Häusern der ARD gerade in Zeiten der Diskussion über den Rundfunkbeitrag und die ARD-Strukturreform, die bereits in vollem Gange ist, gefordert werden.
DTVP/cosinex: Sehr geehrte Frau Haddadzadeh, welchen Ratschlag würden Sie anderen öffentlichen Auftraggebern geben, die mit der E-Vergabe begonnen haben?
NDR: Ich kann nur raten, die Einführung, wie beim NDR geschehen, in kleinen Schritten vorzunehmen. Dies erhöht einerseits die Akzeptanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit dem E-Vergabesystem arbeiten werden. Außerdem haben wir mit den jeweiligen Piloten versucht, die unterschiedlichen Warengruppen und Bieterkreise gleichermaßen zu berücksichtigen. Eine Bauvergabe hat andere Anforderungen als eine IT-Vergabe oder gar Vergabeverfahren auf dem kreativen Sektor zu berücksichtigen. Die Vereinheitlichung der Prozesse kann besser und effizienter vorgenommen werde, wenn man alle Besonderheiten der Vergaben berücksichtigt und auch alle potentiellen Bieter anspricht.
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