Folgen der (Nicht-)Verlängerung der Bindefrist
Im Vergabeverfahren gibt es zahlreiche und verschiedenste Fristen. Die Bindefrist ist dabei der Zeitabschnitt, während dessen ein Bieter an sein Angebot gebunden bleibt – das Angebot kann innerhalb dieser Frist nicht mehr geändert oder zurückgezogen werden. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Verzögerungen des Vergabeverfahrens. Entsprechend häufig werden Bieter auch um Verlängerung der Bindefrist gebeten. Was aus der Zustimmung zur Bindefristverlängerung folgt bzw. was eine unterbliebene Zustimmung bedeutet, soll im Weiteren betrachtet werden.
Bei der Bindefrist handelt es sich um die sog. Annahmefrist iSd § 148 BGB. Die Annahme eines Angebots kann nur innerhalb dieser Frist erfolgen (§§ 146, 147 BGB). Nach Ablauf der Bindefrist erlischt das Angebot. Mit anderen Worten kann der Auftraggeber (nur) innerhalb der Bindefrist den Zuschlag auf das Angebot eines Bieters erteilen und damit den Vertragsschluss herbeiführen.
Wenn der Auftraggeber um Verlängerung der Bindefrist bittet und Bieter der Bindefristverlängerung ausdrücklich zustimmen, bedeutet dies, dass sie die nachgefragten Leistungen weiterhin zu den Konditionen ihres eingereichten Angebots anbieten. Und zwar bis zum Ablauf der vom Auftraggeber neu festgesetzten Bindefrist. Neben der ausdrücklichen Zustimmung kann die Zustimmung auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten, erfolgen. So etwa, wenn ein Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag auf sein Angebot begehrt (vgl. OLG Rostock v. 25.09.2013, 17 Verg 3/13) oder wenn nachgeforderte Unterlagen eingereicht werden (vgl. OLG Celle v. 30.01.2020, 13 Verg 14/19).
Selbstverständlich steht es den Bietern frei, der Bindefristverlängerung nicht zuzustimmen. Stimmt der Bieter der Verlängerung nicht zu, erlischt sein Angebot und der Auftraggeber kann darauf nicht mehr den Zuschlag erteilen. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen der Auftraggeber versuchen muss, das erloschene Angebot „wieder zum Leben zu erwecken“. Ein solcher Versuch ist grundsätzlich dann geboten, wenn es sich bei dem erloschenen Angebot um das wirtschaftlichste Angebot handelt. Dies verlangt das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsmittelverwendung (vgl. OLG Celle aaO.). Voraussetzung ist jedoch, dass dadurch nicht die Rechte von Mitbewerbern, insbesondere Gleichbehandlungsrechte, beeinträchtigt werden und nach den Vergabeunterlagen kein Ausschluss für Angebote vorgesehen war, bzgl. derer die Bindefrist abgelaufen ist.
In derartigen Fällen handelt es sich jedoch nicht um die Annahme des ursprünglichen Bieterangebots. Die Mitteilung des Auftraggebers, den Zuschlag auf das (erloschene) Angebot erteilen zu wollen, wird vielmehr als neues Angebot des Auftraggebers angesehen (iSd § 150 Abs. 1 BGB). Ein Vertrag kommt mithin nur dann zustande, wenn der Bieter dieses Angebot annimmt. Wird das Angebot vom Bieter angenommen, kommt ein Vertrag zu den Konditionen seines ursprünglichen (jetzt wiedererweckten) Angebots zustande. Lehnt er die Annahme ab, bleibt sein Angebot weiterhin erloschen und ein Vertragsschluss scheidet aus.
von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht
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