Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 16.06.2023 der Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare zugestimmt. Dort ist auch die Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV und der entsprechenden Regelungen der SektVO und VSVgV enthalten, die am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt.

§ 3 Abs. 7 S. 2 VgV ist ein Ausnahmetatbestand für Planungsleistungen. Wenn die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führt, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 7 S. 1 VgV). Nach der bisherigen Ausnahmeregelung gilt dies bei Planungsleistungen nur für Lose über gleichartige Leistungen. Danach konnten unterschiedliche Leistungsbilder für dasselbe Projekt national vergeben werden, auch wenn die Auftragswerte aller Planungsleistungen zusammengerechnet den EU-weiten Schwellenwert überschritten.

Seit Inkrafttreten der Regelung gab es Uneinigkeit über die Europarechtskonformität der Ausnahme, da sich in der Vergaberichtlinie 2014/24/EU kein Anhaltspunkt dafür findet (vgl. OLG München v. 13.03.2017 – Verg 15/16; VK Westfalen v. 18.12.2019 – VK 1-34/19, a.A. VK Nordbayern v. 09.05.2018 – RMF SG21-3194-3-10). Die EU-Kommission betreibt in dieser Sache ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.

Nach Wirksamwerden der Streichung dürfen Aufträge über Planungsleistungen bei der Frage der Überschreitung des Schwellenwertes von derzeit EUR 215.000,00 nicht mehr separat betrachtet werden. Kritiker befürchten, dass es durch den erhöhten Anteil an europaweit zu vergebenden Aufträgen zu einer erheblichen Steigerung des Ausschreibungsaufwandes für Auftraggeber und Verzögerungen kommen wird. Im Bereich des Hochbaus seien Planungsleistungen im Anwendungsbereich der VgV bereits ab Baukosten von etwa EUR 1,0 Mio. europaweit zu vergeben. Ferner werden ein erhöhter Aufwand auf Bieterseite und das zu erwartende Ausbleiben von Angeboten kleinerer Architekten- und Ingenieurbüros eingewandt.

Die Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV schafft jedenfalls Rechtsklarheit, auch hinsichtlich der Europarechtskonformität. Letztlich werden Planungsleistungen damit allen anderen Dienstleistungen gleichgestellt. Ob sich die Befürchtungen der Kritiker realisieren, bleibt abzuwarten. Viele öffentliche Auftraggeber haben die Ausnahmevorschrift wegen der dargestellten Rechtsunsicherheit bereits seit Längerem nicht mehr angewendet. Für diese Auftraggeber ergibt sich keine Änderung. Die anderen öffentlichen Auftraggeber werden sich umstellen und Planungsleistungen häufiger EU-weit vergeben müssen. Dies kann beispielsweise im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im offenen Verfahren erfolgen. Auftraggebern ist zu raten, die Handlungsmöglichkeiten des EU-Vergaberechts bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen zu nutzen (z.B. Fristverkürzungen, Vorbehalt des Zuschlags auf das Erstangebot in Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder Abschluss von Rahmenverträgen).

von Carsten Böke, LL.M., Düsseldorf, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Vergaberecht und Isabel Sieben, Mitarbeiterin bei Böke Rechtsanwälte

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