Alles von Anbeginn!
Jeder Einkäufer weiß: Zeit ist auch im öffentlichen Beschaffungswesen ein knappes Gut. Dankbar wurde daher die Phase des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs genutzt, um die Vergabeunterlagen abschließend fertigzustellen. Das neue Vergaberecht schiebt dieser Vorgehensweise einen Riegel vor.
Sämtliche Verfahrensverordnungen schreiben nunmehr vor, dass der Auftraggeber bereits mit der Auftragsbekanntmachung die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt online unter einer elektronischen Adresse/ einem Hyperlink zur Verfügung stellen muss. Vollständig abrufbar sind die Unterlagen aber nur dann, wenn über die Internetadresse sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben abgerufen werden können. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München gilt dies auch für zweistufige Verfahren, wie zum Beispiel dem Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb (OLG München, Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verweis auf eine externe Quelle nicht ausreichend ist. Die Unterlagen müssen vollständig unter der elektronischen Adresse / dem Hyperlink zum Download bereitstehen. Kommt der Auftraggeber dieser Verpflichtung nicht nach und verweist beispielsweise in Bezug auf eine vorzulegende Kalkulationsvorlage lediglich auf ein „externes“ Handbuch, darf er das Angebot eines Bieters auch dann nicht ausschließen, wenn die Kalkulationsvorlage nicht vorgelegt wird (vgl. VK Bund, Beschluss vom 11.11.2017 – VK 2-128/17).
Fazit: Die Vergabeunterlagen müssen künftig mit der Bekanntmachung fertiggestellt sein. Der vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb führt mithin nicht mehr zu einem Zeitgewinn für die Erstellung der Vergabeunterlagen. Dies muss bei den Planungen eines Vergabeverfahrens berücksichtigt werden. Vor allem den Bedarfsträgern sollte bewusst sein, dass das Motto „Am besten gestern“ so einfach nicht mehr umzusetzen ist.
von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht
Datum: